Mein kurzes Dasein als Fachberater
Es ist nasskalt. Der Himmel hat beschlossen, keinen Sonnenstrahl durchzulassen. Die klammen Finger krallen sich tapfer um den Griff meines fahrbaren Vorführgerätebehaelters. "Ich haett den Führerschein machen sollen" brummle ich grantig vor mich hin. "Nun darf ich das ganze Zeugs schleppen, ich dreimal vermaledeiter ... ach ist ja egal". Hauptsache, ich komm in mein Gebiet, rein ins hoffentlich warme Stiegenhaus. Was wurde mir beim Einstellungsgespräch gesagt? "Kein Führerschein ist kein Problem, Sie schaffen es trotzdem". Beispiele wurden mir angesagt von Müttern, die auch kein Auto haben und ne Menge Umsatz machen. Seltsam, dass soviele Menschen ein ähnliches Schicksal haben. Nu, wenn die es geschafft haben ... Also nur Mut, Mädchen, du packst es ja doch. Der Gedanke, in Kürze kein Sozialhilfeempfaenger mehr zu sein, wärmt mich ein wenig, diese deprimierende Phase der amtlichen Bevormundung beendet zu sehen, verleiht mir offenbar doch Kraft. Mein Magen knurrt, doch erst mal die Arbeit. Ich hab viel vor. Endlich steh ich an der Haustür meines "Betreuungsgebietes". Sprechanlage! Das lieb ich heiss. Ich hab leider keinen Schlüssel, nu, läut ma halt an ein paar Türen. Mit zitternden Fingern zerre ich mein Werbebuch aus dem Schubfach des Rollies, oder Trollies? Keine Ahnung, wie das Ding heisst. Kreuzchen, Stricherln, Kreise und dergleichen Zeichen hab ich notiert, um zu wissen, wann ich was wo getan habe, wer anwesend ist und wer nicht. Ein paar Notizen. Welche noch gleich wo, was wurde mir gesagt? Egal, ich mach sicher wieder was falsch. So, mal eine Partei anklingeln. Klar, niemand zuhaus. Zeichen für "nicht angetroffen" hinkritzeln. Nächstes Knöpfchen, ... dasselbe, und wieder und wieder. Hei, im Stiegenhaus geht das Licht an, es kommt sicher jemand raus, und ich rein. Erleichterung. "Grüss Gott" "Grüss Gott" Uff, ich bin drinnen.Das erste Mal im Alleingang. Heissa, das kann was werden. Ich erinnere mich an Szenen im Schulungsraum. Hm, wie ging das nochmal? Klingeln, oder klopfen, mich vorstellen mit Namen und Firma. Gott, hab ich mich beim üben angestellt. Kichernd denk ich daran. Klopf klopf klopf (diese Türe, die wohl den unwiderstehlichen Drang hatte, nicht zubleiben zu wollen) "Was jetzt? Kann ich das nochmal machen"? Klopf klopf klopf "Grüss Gott, Meier, Firma Saubereich" Meine Neulingkollegin, die den Part des Kunden mimt, öffnet, vielmehr, sie lässt die Türschnalle los. Ich streck ihr zögernd die Hand entgegen, überlege verzweifelt, was ich nun zu tun hatte, was mir das Entree sichern soll. Stotternd leg ich mit meinem erlernten Spruch los. Und - aus! In meinem Kopf dröhnende Leere. Nicht den Deut einer Ahnung, was ich während meiner Schnuppertage abgekupfert haben soll. Nichts mehr zu machen. Ich mit meinen sechsundvierzig Jahren steh da wie ein Schulkind vor dem gestrengen Herrn Lehrer und krieg kein Wort mehr raus. Der Schulungsleiter bricht ab. "Bravo, sehr gut, das haben Sie gut gemacht". Lob und Neulinge ermuntern, ist eins der Mottos dieser Firma. Na, ich hab es wenigstens geschafft, den Mund aufzukriegen. Ich, ich, ich, dieses geheimnisvolle Wesen, welches mit Müh und Not es schafft, andere nicht niederzureden. Nun ist meine "Leidensgenossin" dran. Dasselbe Szenario. Erleichtert stelle ich fest, dass es ihr nicht anders ergeht wie mir. Das klappernde Murren des Liftes erinnert mich daran, wozu ich unterwegs bin. Zuversichtlich ziehe ich den Rollie-Trollie hinter mir her. Steig in den Lift ein, ab in die oberste Etage. Ganz sicher schaff ich es. Wär 'n Super Job, wenn ich es packe. Wer 's nicht versucht, weiss es nicht, was er vermag.
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