HIV (Therapie)

Hohe Antigen-Variabilität (Ag-Drift, Ag-Shift) macht Entwicklung von Impfstoffen schwierig.

2 klassische Therapiemöglichkeiten:

  • Hemmer der reversen Transkriptase
    • Nukleosidanaloga
    • Nichtnukleosidanaloga
  • Protease-Inhibitoren

Idealerweise ist eine Kombinationstherapie aus allen 3 Substanzklassen anzustreben.

Probleme der Therapie ergeben sich aus den Nebenwirkungen und den z.T. komplizierten Einnahmeschemata.

 

Die folgenden Richtlinien wurden vom deutschen Robert-Koch-Institut kopiert. (Grund für die Kopie war die Möglichkeit, dieses Dokument auch offline lesen zu können)

Deutsch-Österreichische Richtlinien zur Antiretroviralen Therapie der HIV-Infektion (Stand: Juli 2002)

Einleitung
Die Erfolge der antiretroviralen Therapie sind auch nach Erscheinen der letzten Version dieser Richtlinien weiterhin klar zu sehen. Die Hemmung der Virusreplikation durch eine antiretrovirale Therapie verhindert die Krankheitsprogression, führt zur Rückbildung HIV-bedingter Symptome und zu einer klinisch relevanten Immunrekonstitution [1-4]. Die Prognose HIV-infizierter Patienten hat sich hierdurch dramatisch verbessert [5,6]. Gerade die bessere Wirksamkeit der heute verfügbaren antiretroviralen Kombinationstherapien in Kombination mit den Nebenwirkungen dieser Therapien hat jedoch die Diskussion über den idealen Zeitpunkt des Beginns einer Therapie der HIV-Infektion erneut angefacht. Die Zeitspanne einer einmal begonnenen Therapie hat sich wegen der guten Wirksamkeit und der immer unwahrscheinlicher erscheinenden Möglichkeit einer Eradikation des Virus deutlich verlängert. Der "ideale" Zeitpunkt für den Therapiebeginn ist bisher durch keine randomisierte Studie definiert worden und dies wird sich auch in der nahen Zukunft kaum ändern.

Es gibt gute Argumente für einen möglichst frühen Therapiebeginn und gute Argumente für einen möglichst späten, ohne dass für eine der beiden Haltungen eine Evidenz-basierte Entscheidung möglich ist.

Argumente für einen frühen Therapiebeginn sind:

  • HIV ist eine Infektionskrankheit und eine antiinfektiöse Therapie wird üblicherweise so früh wie möglich eingeleitet;
  • bei lange anhaltender Replikation des HIV könnte für das Immunsystem ein point-of-no-return überschritten werden, von dem aus eine Wiederherstellung des Immunsystems nicht mehr möglich ist;
  • eine lange anhaltende Replikation führt aufgrund des Selektionsdruckes des Immunsystems zu Virusmutationen, so dass eine Vielzahl von Quasispecies entsteht, deren Hemmung durch antivirale Therapie möglicherweise schwieriger ist.

Argumente für einen späten Therapiebeginn sind:

  • die heutige Therapie ist mit komplizierten und fehleranfälligen Einnahmevorschriften verbunden, Einnahmefehler sind dabei wahrscheinlich und diese können zu einer Unwirksamkeit späterer Therapien führen;
  • die tägliche Medikamenteneinnahme bedeutet eine deutliche körperliche und psychische Belastung, insbesondere bei asymptomatischen Patienten, bei denen sie zu einem stärkeren Krankheitsgefühl und einer deutlichen Minderung der Lebensqualität führen kann;
  • eine klinische Besserung und Immunrekonstitution kann auch noch bei Therapiebeginn in einem weitfortgeschrittenen Stadium der HIV-Erkrankung beobachtet werden;
  • im Gegensatz zu anderen Infektionskrankheiten ist bei der HIV-Infektion derzeit weder eine Eradikation des Erregers möglich, noch durch eine Therapie eine diese überdauernde Kontrolle der Virusreplikation induzierbar.

Einigkeit besteht über das Ziel, die Progression einer asymptomatischen HIV-Infektion so lange wie möglich zu verhindern sowie darüber, eine Therapie zu beginnen, bevor irreversible Schäden des Immunsystems eingetreten sind.

Die hier gegebenen Empfehlungen beruhen auf der Beurteilung von randomisierten kontrollierten Studien mit klinischen Endpunkten (I), randomisierten kontrollierten Studien mit Labormarkern als Endpunkten (II) und der Auswertung von weiteren klinischen pathophysiologischen und pharmakologischen Daten durch ein Expertengremium (III, s. Tab. 1). Bei den verbleibenden Unsicherheiten insbesondere über den besten Zeitpunkt des Therapiebeginns ist auch ein breiter Konsens mit einem möglichen Irrtum behaftet.

Randomisierte Studien mit klinischen Endpunkten sind die bevorzugte Basis für Therapieempfehlungen in der Medizin. Aufgrund der hohen Korrelation zwischen den wichtigsten Surrogatmarkern (Verlauf der HIV-RNA im Plasma, Verlauf der CD4-Lymphozyten) und den klinischen Endpunkten in den Zulassungsstudien der ersten Protease-Inhibitoren Anfang 1996 werden Zulassungsstudien bei der HIV-Infektion nicht mehr als klinische Endpunktstudien sondern in aller Regel als Surrogatmarkerstudien durchgeführt. Diese Zulassungsbedingungen wurden explizit durch die FDA und die EMEA definiert und deshalb werden nur noch ausnahmsweise Studien mit klinischen Endpunkten durchgeführt.
Studien der Evidenzklasse I sind deshalb vor allem ältere Studien, mit bereits überholten Therapieschemata. Dies führt dazu, dass Studien der Evidenzklasse I bei der Formulierung aktueller Empfehlungen zum Teil ein geringeres Gewicht haben als Studien der Evidenzklasse II. Für viele Indikationen zur Therapie der HIV-Infektion ist eine Graduierung als AII die höchsterfüllbare. Viele offene Fragen werden durch randomisierte Studien in der nächsten Zeit nicht bearbeitet werden können: Langzeitstudien sind in einem Feld, das einen derart raschen Wandel in der Therapie erfährt, schwer durchzuführen, dies gilt vor allem für plazebokontrollierte Studien mit klinischen Endpunkten.

Tabelle 1: Graduierung von Therapieempfehlungen
Graduierung von Therapie-
Empfehlungen
I
Auf der Basis mindestens einer randomisierten Studie mit klinischen Endpunkten *
II
Auf der Basis von Surrogatmarker-
Studien
III
Nach Experten-
meinung
A Eindeutige Empfehlung A I A II A III
B Im allgemeinen ratsam B I B II B III
C Vertretbar C I C II C III
D Im allgemeinen abzulehnen D I D II D III
E Eindeutige Ablehnung E I E II E III

Allgemeine Therapieprinzipien
Eine Verminderung der Morbidität und Mortalität läßt sich bereits durch eine Senkung der Viruslast um ca. 1 - 2 log10 erzielen. Die Selektion von resistenten Virusmutanten läßt sich langanhaltend jedoch nur vermeiden, wenn die Replikation des HIV möglichst vollständig gehemmt wird. Dies erfordert eine hohe antivirale Aktivität der eingesetzten Medikamenten-Kombination. Die Tiefe des erreichten Nadirs (tiefster gemessener Wert) der quantitativ gemessenen HIV-RNA bestimmt wesentlich die Dauer der virologisch definierten Wirksamkeit einer Therapie. Die derzeit kommerziell erhältlichen Tests detektieren eine HIV-RNA-Kopienzahl von ca. 20-50/ml Plasma zuverlässig. Im Vergleich zu einer Absenkung der Viruslast unter 400 HIV-Genomkopien pro ml Plasma bedeutet eine Reduzierung der Werte unter 20-50 /ml mit hoher Wahrscheinlichkeit eine länger anhaltende HIV-Suppression sowie eine langsamere Resistenzentwicklung [7,8]. Die wichtigste Ursache für eine fehlende Replikationshemmung ist eine Resistenz des HIV gegen die entsprechenden Substanzen. Punktmutationen in den Genabschnitten, die für die reverse Transkriptase oder die virale Protease kodieren, vermitteln eine solche Resistenz [9].
Das Ziel einer initialen antiretroviralen Therapie ist, die Viruslast unter die derzeitige Nachweisgrenze von 20-50 HIV-RNA-Kopien/ml abzusenken. Abhängig von der individuellen Situation (z.B. langjährige Vorbehandlung mit suboptimalen Therapieregimen, Vorliegen multipler Resistenzen) kann es aber notwendig werden, weniger strikte und angesichts der Vorgeschichte noch realisierbare Therapieziele zu vereinbaren.
Bei Indikationsstellung einer antiretroviralen Therapie muss eine Abwägung möglicher Vor- und Nachteile im Dialog zwischen spezialisiertem Arzt und gut informierten Patienten vorgenommen werden. Dies gilt vor allem für Patienten mit hohen Zahlen an CD4+ Zellen (Tab. 3). Mehrere Studien zeigen, dass die vorschriftsmäßige und regelmäßige Einnahme der Medikation eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg einer antiretroviralen Therapie ist [10]. Die dafür notwendige hohe Compliance muss in Zusammenarbeit von Arzt und Patient erreicht werden.

Tabelle 2: Antiretrovirale Stoffklassen, Substanzen und Dosierungen
Substanz bzw. Substanzgruppe Wichtigste Neben-
wirkungen
Diät-Vorschrift Dosis*
Darreichungs-
form
Reverse Transkriptase Inhibitoren - Nukleosidanaloga hepatische Steatose, selten Laktatazidose, Lipodystrophie-
syndrom §
   
Abacavir

Handelsname:
Ziagen®
Hyper-
sensitivitäts-
Syndrom
  2x300mg
Tabletten à 300mg,
Saft
Didanosin

Handelsname:
Videx®
Pankreatitis, Neuropathie Nüchtern einnehmen > 60kg KG:
1x400mg

< 60kg KG:
1x250mg oder 2x125mg
Kapseln à 400mg,
Kapseln à 250mg,
Kapseln à 125mg,
Pulver
Lamivudin

Handelsname:
Epivir
Kopfschmerz   1x300mg
oder
2x150mg
Tabletten à 300mg,
Tabletten à 150mg,
Lösung
Stavudin

Handelsname:
Zerit®
Neuropathie, Pankreatitis   > 60kg KG:
2x40mg

< 60kg KG:
2x30mg
Kapseln à 40mg,
Kapseln à 30mg
Zalcitabin

Handelsname:
Hivid®
Neuropathie, orale Ulzera   3x0.75mg
Tabletten à 0,75mg
Zidovudin

Handelsname:
Retrovir®
Neutropenie, Anämie, Myopathie   2x250mg
Kapseln à 250mg,
Saft
Kombinations-
präparat:
Lamivudin + Zidovudin

Handelsname:
Combivir
Kopfschmerz, Neutropenie, Anämie, Myopathie   2x (150mg + 300mg)
Tabletten à (150mg/ 300mg)
Kombinations-
präparat:
Lamivudin + Zidovudin + Abacavir

Handelsname:
Trizivir®
Kopfschmerz, Neutropenie, Anämie, Myopathie, Hyper-
sensitivitäts-
Syndrom
  2x150mg + 2x300mg + 2x300mg
Tabletten à (150mg/ 300mg/ 300mg)
Substanz bzw. Substanzgruppe Wichtigste Neben-
wirkungen
Diät-Vorschrift Dosis*
Darreichungs-
form
Reverse Transkriptase Inhibitoren - Nukleosidanaloga      
Tenofovir

Handelsname:
Viread®
Gastrointestinale Beschwerden (Durchfall, Übelkeit)   1x300mg
Tabletten à 300mg
Substanz bzw. Substanzgruppe Wichtigste Neben-
wirkungen
Diät-Vorschrift Dosis*
Darreichungs-
form
Protease-
Inhibitoren**
Glukose-
intoleranz, Fettstoffwechsel-
störungen, Lipodystrophie-
syndrom §
   
Amprenavir

Handelsname:
Agenerase
Diarrhoe, Kopfschmerz, Arzneiexanthem Nüchtern bzw. fettreduziert einnehmen 2x1200mg

Empfehlung in Kombination mit Ritonavir: Amprenavir: 2x600mg, Ritonavir: 2x100mg
Kapseln à 150mg,
Saft
Indinavir

Handelsname:
Crixivan®
Nephrolithiasis, Hyper-
bilirubinämie
Nüchtern bzw. fettreduziert einnehmen Als Mono PI
3x800mg

Empfehlung in Kombination mit Ritonavir:
Indinavir:
2x400mg
Ritonavir:
2x100mg
Kapseln à 400mg
Lopinavir + Ritonavir

Handelsname:
Kaletra®
Fettstoffwechsel-
störungen, Übelkeit, Diarrhoe
Mit Mahlzeit einnehmen 2x400mg + 2x100mg
Kapseln à (133mg/ 33mg),
Lösung
Nelfinavir

Handelsname:
Viracept®
Diarrhoe, Übelkeit Nicht nüchtern einnehmen 2x1250mg
Tabletten à 250mg,
Pulver
Ritonavir

Handelsname:
Norvir
Diarrhoe, Übelkeit, Hyper-
triglyzeridämie
  2x600mg
Saft: 2x7.5ml
Kapseln à 100mg,
Saft
Saquinavir

Handelsnamen:
Invirase®***
Fortovase®
Diarrhoe, Übelkeit (meist mild) Mit protein/ fettreicher Kost einnehmen 3x1200mg

Empfehlung in Kombination mit Ritonavir:
Saquinavir: 2x1000mg
Ritonavir: 2x100mg
Kapseln à 200mg
Substanz bzw. Substanzgruppe Wichtigste Neben-
wirkungen
Diät-Vorschrift Dosis*
Darreichungs-
form
Reverse
Transkriptase
Inhibitoren - Nichtnukleosidisch
Arznei-
reaktionen
   
Delavirdin

Handelsname:
Rescriptor®
Arzneiexanthem   3x400mg
Tabletten à 200mg
Efavirenz*****

Handelsname:
Sustiva®
Stocrin®
Psychotrope NW; Arzneiexanthem   1x600mg
Kapseln à 200mg,
Kapseln à 600mg
Nevirapin

Handelsname:
Viramune®
Arzneiexanthem, Hepatotoxizität   14 Tage 1x200mg,
dann
2x200mg
Tabletten à 200mg


Behandlungsindikationen

Symptomatische Patienten
Die antiretrovirale Therapie verlangsamt die Progression der HIV-Erkrankung (klinische Manifestationen C und B der klinischen Klassifikation) eindrücklich, unabhängig von Immunstatus und Viruslast. Auch HIV-assoziierte Symptome und Manifestationen können durch eine antiretrovirale Therapie positiv beeinflusst werden. Deshalb ist hier eine Behandlungsindikation gegeben und allen Patienten aus diesen Gruppen sollte eine Therapie (s. initiale Therapieschemata) dringend empfohlen werden (AI).

Asymptomatische Patienten
Eine Studie, welche die Frage beantworten könnte, zu welchem Zeitpunkt bei asymptomatischen Patienten mit einer Behandlung begonnen werden sollte, gibt es bisher nicht. Aus einer Reihe von Kohortenstudien lässt sich jedoch ableiten, dass eine Grenze für den Behandlungsbeginn, unterhalb derer mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität zu rechnen ist, bei einer CD4-Zellzahl von 200 Zellen/µl liegt. Ein Abfall der CD4-Zellzahl unter diesen Wert sollte daher nach Möglichkeit vermieden werden. Asymptomatische Patienten mit <200 CD4+/µl Blut haben unabhängig vom Ausmaß der Virusreplikation ein deutliches Risiko für eine immunologische und klinische Progression, das durch eine antiretrovirale Therapie vermindert werden kann [11,12]. Eine Behandlung für diese Patienten ist deshalb sinnvoll (AI).
Die Grenzen der Zahl von CD4+-Lymphozyten und der HIV-Last, bei denen eine Therapie begonnen werden sollte, können beim derzeitigen Kenntnisstand nur unscharf formuliert werden und liegen im Bereich zwischen 200 und 350 CD4+/µl bzw. im Bereich von unter 15-20% Anteil der CD4-Lymphozyten an den Gesamtlymphozyten. Als zusätzlicher Parameter für die Dringlichkeit einer Behandlung in diesem CD4-Zell-Korridor sollte die Höhe der Viruslast berücksichtigt werden. Je höher die Viruslast, desto eindeutiger die Behandlungsindikation, dies gilt insbesondere für im Verlauf deutlich ansteigende Werte [5,11,12]. Für die Entscheidung zum Therapiebeginn kann auch die Kinetik der ersten drei Messsungen von Viruslast und Helferzellen hilfreich sein: bei stabilem Verlauf ist eher ein Abwarten gerechtfertig als bei drei Werten in Folge, die sich jeweils verschlechtern.

Bei Patienten mit einer CD4-Zellzahl höher als 350/µl und hoher Viruslast (als vergleichsweise hoch gelten Werte von über 50.000-100.000 HIV-RNA-Kopien/ml) ist die Einleitung einer Therapie vor allem mit einer deutlichen Besserung der Surrogatmarker verbunden. Die Therapieindikation ist hier nicht eindeutig, die Therapie wird in der Regel jedoch empfohlen (BII).

Bei niedriger Viruslast (<50.000) sind Auswirkungen auf Surrogatmarker weniger deutlich und ein größerer Anteil der Experten ist in Anbetracht der Probleme einer antiretroviralen Langzeittherapie zurückhaltend mit der Therapieempfehlung (CIII)[13,14].


Weitere Indikationen
Ein unbekannter Anteil von HIV-infizierten Patienten entwickelt kurz nach der Infektion und zeitnah gefolgt oder begleitet von der Serokonversion das sogenannte akute retrovirale Syndrom. Es ist gekennzeichnet durch konstitutionelle Symptome, morbilliformes Exanthem, Lymphknotenschwellungen und hohe HIV-RNA-Werte. Daten aus Langzeitstudien zur antiretroviralen Kombinationstherapie bei diesen Patienten liegen noch nicht vor. Studien zur Monotherapie mit Zidovudin zeigten, dass die Viruslast rasch gesenkt werden kann [15], jedoch eine Verbesserung der Langzeitprognose durch eine Monotherapie anscheinend nicht resultiert [16]. Eine Therapie mit Kombinationsregimen ist aus pathophysiologischen Erwägungen aber vertretbar (CII). Nach Expertenmeinung ist die Behandlung der akuten HIV-Infektion insbesondere bei Beginn in der symptomatischen Phase oder in der Serokonversion sinnvoll. Bezüglich der Behandlungsdauer erlauben die vorliegenden Studien keine sichere Angabe eines minimal notwendigen oder maximal sinnvollen Zeitraums. In bisher durchgeführten Studien wurde vor kontrollierten Therapieunterbrechungen ca. ein Jahr lang therapiert.
Die Behandlung dieser Patienten sollte, wenn immer möglich, im Rahmen von klinischen Studien oder standardisierten Behandlungsprogrammen geschehen, um diese offene Frage zu klären.

Tabelle 3: Therapieindikationen und -empfehlungen
Klinisch CD4+Lymphozyten/µl HIV-RNA/ml (RT-PCR) Therapie-
empfehlung
HIV-assoziierte Symptome und Erkrankungen
(CDC: C, B)
Alle Werte   AI
Asymptomatische Patienten
(CDC: A)
< 200 Alle Werte AI
200-350 Alle Werte BII
350-500 > 50.000-
100.000 Kopien
BII
< 50.000 Kopien CIII
> 500 Alle Werte CIII
Akutes retrovirales Syndrom Alle Werte Alle Werte CII



Initiale Therapieregime

Bei der Auswahl der initialen Medikamentenkombinationen sind außer Viruslast und Krankheitsstadium weitere Faktoren wie besondere Lebensweise, Komorbidität, und andere notwendige Therapien zu berücksichtigen. Für eine wirksame Initialtherapie stehen eine Reihe von Optionen zur Verfügung. Diese Optionen sind im einzelnen:

  • Kombination eines - ggf. geboosteten - Proteaseinhibitors (PI) mit zwei nukleosidanalogen Reverse Transkriptase Inhibitoren (NRTI)
  • Kombination eines nicht nukleosidanalogen Reverse Transkriptase Inhibitors (NNRTI) mit zwei NRTI
  • Kombination von drei NRTI

Es kann sinnvoll sein, in der Initialtherapie mehr als drei Substanzen (z.B. PI-Boosterung mit Ritonavir) einzusetzen (AII / 14+/ 3± /5-). Einige Experten befürworten eine primäre Verwendung von vier Substanzen bei Patienten mit hohem Risiko für ein virologisches Versagen [17,18].


Kombinationen mit Proteaseinhibitoren
Die Wirksamkeit der PI-Kombinationen ist im Gegensatz zu den anderen Optionen auch bei Patienten mit einem weit fortgeschrittenen Immundefekt nachgewiesen worden.
Nachteile der gegenwärtig verfügbaren PIs sind eine ungünstige Pharmakokinetik, die die Einnahme einer großen Zahl von Tabletten in engen Zeitintervallen erforderlich macht (kann z.B. durch PI-Boosterung aufgehoben werden) und die Nebenwirkungen und Medikamenteninteraktionen. Metabolische Störungen wie Lipodystrophie, Insulinresistenz und Diabetes werden unter PI-Kombinationen häufiger als unter anderen Kombinationen beobachtet.


Kombinationen mit NNRTIs
Für NNRTIs in 3-fach Kombinationstherapie liegen Daten einer Vergleichsstudie mit Efavirenz +2 NRTI vs. Indinavir +2 NRTI über eine Dauer von 48 Wochen vor. Die Kombination mit Efavirenz war in allen Analysen auch bei Patienten mit >100.000 Kopien/ml Plasma der Kombination mit Indinavir bezüglich des Anteils der Patienten mit nicht nachweisbarer HIV-Last und bezüglich der Verträglichkeit überlegen [19].

Auch zur Kombination von zwei Nukleosidanaloga und Nevirapin in der Initialtherapie liegen Daten einer kontrollierten Studie vor, die zeigen, dass der Einsatz dieser Kombination zu ähnlichen Ergebnissen führt wie der Einsatz von 2 NRTIs und Indinavir. Diese Studien wurden allerdings an Kollektiven mit nicht weit fortgeschrittenem Immundefekt durchgeführt und können vorläufig nicht auf Patienten mit weit fortgeschrittenem Immundefekt (z.B. CD4 < 100/µl) übertragen werden. Hierzu sind weitere Daten zur Effektivität erforderlich.

Vorteile der NNRTI-Kombinationen sind bessere Pharmakokinetik (Nevirapin wird zweimal täglich, Efavirenz einmal täglich gegeben) und geringere Zahl von Tabletten. Efavirenz und Nevirapin werden ebenfalls über das Cytochrom-p450-System metabolisiert, Interaktionen mit anderen Medikamenten sind deshalb auch hier vorhanden.
Bei einer geplanten Therapieänderung oder -unterbrechung sollten die langen Halbwertszeiten der NNRTI und die durch sie ausgelöste Enzyminduktion berücksichtigt werden.


Kombinationen von drei Nukleosidanaloga
Zu 3fach NRTI-Kombinationen liegt eine Studie mit einer Beobachtungszeit von 48 Wochen vor (Trizivir - Zidovudin+Lamivudin+Abacavir)[20]. Die Langzeitdaten und die schlechteren Ergebnisse bei hoher Plasmavirämie (>100.000 HIV-RNA-Kopien/ml) sprechen für eine geringere Aktivität als bei zwei-Klassen-Kombinationen. Auch für andere Dreifach-Nukleosidanaloga-Kombinationen konnte keine Gleichwertigkeit gezeigt werden. Vorteile der 3fach NRTI Kombination sind die einfache Dosierung (minimal zweimal täglich 1 Kapsel) und geringe Interaktionen mit anderen Therapeutika.
Einige Experten würden daher unter bestimmten Voraussetzungen insbesondere Trizivir® als Primärtherapie einsetzen.

Tabelle 4: Basiskombinationen und Kombinationspartner für die Initialtherapie
Empfohlene Kombination Nukleosidanaloga     Proteaseinhibitor oder NNRTI oder dritter NRTI  
Zidovudin + Lamivudin A I + Lopinavir + Ritonavir A II
Zidovudin + Didanosin A I Nelfinavir A II
Stavudin + Lamivudin A II Efavirenz A II
Stavudin + Didanosin B II& Nevirapin A II***
Zidovudin + Zalcitabin C I Saquinavir (HGC od. SGC) + Ritonavir B II
  Indinavir + Ritonavir B II #
Indinavir C I/II*&
Ritonavir C I/II*&
Saquinavir SGC C II**
Amprenavir C III**
Delavirdin C II***
Zidovudin + Lamivudin + Abacavir B II***
im allgemeinen abzulehnen§ 2 NRTI (s.o.) + Ohne Kombination D II
eindeutig abzulehnen§§ Kombination ohne PI-Booster wie Ritonavir + Saquinavir HGC E II
  Zidovudin + Stavudin E II + Jeder Kombinationspartner
Zalcitabin + Stavudin E III
Didanosin + Zalcitabin E III


Zusammenfassende Bewertung
Die Immunrekonstitution bei Patienten in weit fortgeschrittenem Krankheitsstadium wurde unter PI-freien Medikamentenkombinationen bisher nicht in gleichem Ausmaß belegt.

Unterschiede im Nebenwirkungsspektrum sind vorhanden. Als klinisch additiv wirksam (d.h. wirksam in klinischen Endpunktstudien - solche werden allerdings seit 1996 kaum noch durchgeführt) mit Nukleosidanalogakombinationen haben sich bisher nur die Proteaseinhibitoren Indinavir, Ritonavir und Saquinavir erwiesen. Aufgrund dieser Daten sollte bei Patienten mit weit fortgeschrittenem Immundefekt (<100 CD4-Zellen/µl) bei Therapiebeginn wenn möglich ein Proteaseinhibitor Bestandteil der initialen Kombination sein.

Mögliche Therapiealternativen insbesondere für Patienten mit fortgeschrittenem Immundefekt und/oder sehr hoher Viruslast stellen Kombinationen von 3 NRTIs + einem NNRTI oder einem PI oder eine Kombination von Wirkstoffen aus drei Medikamentenklassen dar [21].

Das Konzept der Anhebung (Boosterung) der Plasmaspiegel von Proteaseinhibitoren durch Zugabe von Ritonavir in subtherapeutischer Dosis ("Babydose") hat sich im klinischen Alltag etabliert. Die Zugabe von Ritonavir zu Amprenavir, Saquinavir und Indinavir führt zu einem Anstieg der Talspiegel (minimale Plasmakonzentration im Dosierungsintervall) und einer Verlängerung der Halbwertszeit bei moderatem oder geringfügigen Anstieg der maximal erzielten Konzentration (Spitzenspiegel) [22,23,24,25].

Zu Nukleosidanaloga-freien Kombinationen liegen für Doppel-PI-Kombinationen und Kombinationen von PI + NNRTI erste Daten zur Wirksamkeit vor. Wie die Langzeitverträglichkeit solcher Kombinationen ist und wie und in welchem Umfang sich unter solchen Therapieregimen Resistenzen entwickeln ist noch nicht geklärt.


Verlaufskontrollen, Monitoring der Therapie, Therapieerfolg und -versagen
Die wichtigsten Laborparameter für die Verlaufsbeurteilung einer HIV-Infektion sind die quantitative Bestimmung der CD4+-Lymphozyten und der HIV-RNA. Sie sollten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung und anschließend in ca. 2-3-monatigen Abständen bestimmt werden, und zwar mit dem jeweils sensitivsten erhältlichen Test. Einleitung und Umstellungen einer Therapie sind Indikationen für kurzfristigere Kontrollen.

Bei Patienten unter Therapie, deren HIV-RNA unterhalb der Nachweisgrenze (z. Zt. 20-50 Genomkopien/ml) liegt, sollte die Viruslast ca. alle 2-3 Monate kontrolliert werden. Eine signifikante Veränderung der Virusreplikation ist ab einer Änderung von 0.5-0.7 log10 (entsprechend Veränderungen um den Faktor 3 bis 6) anzunehmen, signifikante Veränderungen der CD4-Werte sind ab einem Abfall von 30% für Absolutwerte oder um 3% für Relativwerte anzunehmen. Insbesondere Messungen, die Anlaß zu einer Neubewertung der Therapie geben, sollten durch eine kurzfristig abgenommene weitere Blutentnahme kontrolliert werden. In der Regel sind jedoch Messungen im Abstand von weniger als 4 Wochen nicht notwendig.


Therapieerfolg und -versagen
Ein Therapieerfolg kann frühestens nach 4 Wochen, oft erst nach drei Monaten und in Einzelfällen erst nach 6 Monaten beurteilt werden. Das Absinken der HIV-Replikation unter die Nachweisgrenze ist als Therapieerfolg zu werten. Ein geringerer Abfall der HIV-RNA als 1 log10 nach 4 Wochen oder das Ausbleiben des Abfalls unter die Nachweisgrenze innerhalb von maximal 6 Monaten ist ein ungenügender Therapieerfolg und sollte Anlaß sein, additive oder alternative Therapieregime zu erwägen.
Ein ungenügender Therapieerfolg oder ein Therapieversagen können beruhen auf der verminderten Absorption oder beschleunigten Metabolisierung einer Wirksubstanz, auf Medikamentenwechselwirkungen, einer vorbestehenden oder sich entwickelnden Resistenz und/oder einer mangelhaften Therapietreue bei dem Patienten.
Eine relevante Einbuße der Wirksamkeit liegt wahrscheinlich vor, wenn die HIV-RNA über den Nadir des Abfalls ansteigt; von einem sekundären Versagen der Therapie ist auszugehen, wenn die HIV-RNA wieder auf einen Wert ansteigt, der nur noch 1 log10 unterhalb des Ausgangswertes liegt.
Bei einem durch Kontrolluntersuchung bestätigten Wiederanstieg der Viruslast in einen niedrig positiven Bereich (bis ca. 1.000 HIV-RNA-Kopien/ml) sollte dringend eine Intensivierung der Therapie erfolgen.
Hinweise auf eine ungenügende Wirksamkeit sind ferner ein signifikanter Abfall der CD4+-Lymphozyten (s.o.) sowie eine weitere klinische Progression. Insbesondere die Bewertung eines Therapieversagens nach dem letzten Kriterium ist oft nicht einfach zu treffen. Eine antiretrovirale Therapie kann virologisch wirksam, das Immunsystem aber bereits so schwer geschädigt sein, daß trotzdem das Auftreten einer opportunistischen Erkrankung möglich ist. Auch kann die Immunrekonstitution durch eine begonnene antiretrovirale Therapie zur Exazerbation von Erkrankungen führen (sog. Immunrekonstitutionssyndrom).


Resistenztestung
Resistenz von HIV gegen antiretrovirale Substanzen wurde schon bald nach der Verfügbarkeit erster Medikamente beobachtet [26] und Auswirkungen der Resistenz auf den klinischen Verlauf der HIV-Infektion wurden bereits früh nachgewiesen [27]. Auch für die moderne Kombinationstherapie existieren zahlreiche retrospektive Studien, die einen Zusammenhang zwischen Resistenz und nachfolgendem Therapieversagen belegen [28]. Weiterhin wurden in den letzten 2 Jahren auch Ergebnisse randomisierter, prospektiver Studien publiziert, die in ihrer Mehrzahl ein deutlich besseres Therapieansprechen für die Patienten zeigen, die nach Kenntnis des Resistenzstatus behandelt wurden [29-34]. Dies führte zur Implementierung der Resistenztestung in europäische und internationale Richtlinien zur antiretroviralen Therapie [35,36].

Resistenztestungen sind zur Therapiesteuerung nach erstem oder mehrfachem Therapieversagen erforderlich. Dabei sollte die Blutabnahme unter noch laufender Therapie erfolgen. Vor Therapiebeginn, insbesondere bei kürzlich erfolgter Infektion, ist eine Testung bei Verdacht auf Infektion mit einem resistenten Virus zu empfehlen. Epidemiologische Untersuchungen zur Transmission resistenter Viren bei neu infizierten Patienten sind wünschenswert [37].

Genotypische und phänotypische HIV-Resistenztests sind vom Ansatz und ihrer Aussage komplementär. Während phänotypische Tests die Empfindlichkeit eines Virus direkt messen, werden bei genotypischen Tests Mutationen nachgewiesen, die bekanntermaßen mit Resistenz gegen einzelne oder mehrere Medikamente assoziiert sind. Eine adäquate Interpretation genotypischer Resistenzbefunde sollte nach bestem Wissensstand derzeit verfügbarer Interpretationshilfen und unter Berücksichtigung der Vortherapie erfolgen. Eine genotypische Testung ist häufig zur Therapiesteuerung ausreichend. Insbesondere beim Einsatz komplexer Salvage-Regime und neuer antiretroviraler Substanzen ist allerdings die zusätzliche Durchführung einer phänotypischen Testung zu empfehlen.

Tabelle 5: Zusammenfassung der Empfehlungen zur Resistenztestung (für die HIV-Therapie in der Schwangerschaft und bei HIV-infizierten Kindern wird auf die speziellen Empfehlungen der Fachgesellschaften verwiesen)
  Empfehlung Therapie-
empfehlung
Kommentare
Bisher unbehandelte Patienten
Primäre/ kürzliche Infektion Resistenztestung empfohlen, wenn eine antiretrovirale Therapie begonnen wird oder bei Verdacht auf Infektion mit resistentem Virus B III Archivierung einer Plasmaprobe empfohlen, auch wenn keine antiretrovirale Therapie eingeleitet wird; Meldung an das Serokonverter-
register des RKI *
Chronische Infektion, vor Beginn einer Therapie Resistenztestung empfohlen, wenn Verdacht auf Infektion mit primär resistentem Virus besteht. B III Archivierung einer Plasmaprobe, die möglichst nahe am Infektionszeitpunkt liegen sollte
ohne konkreten Verdacht Resistenztestung zu erwägen C III
Behandelte Patienten
Nach erstem Therapie-
versagen
Resistenztestung generell empfohlen vor Therapiewechsel A II Abklärung der weiteren Ursachen des Therapieversagens unerläßlich
Mit umfangreicher antiretroviraler Vorbehandlung Resistenztestung** generell empfohlen vor Therapiewechsel A II Abklärung der weiteren Ursachen des Therapieversagens unerläßlich
In oder nach einer Therapiepause Resistenztestung derzeit nur im Rahmen wissenschaftlicher Fragestellungen zu empfehlen D III Feststellung einer Reversion zum Wildtyp


Medikamentenspiegelbestimmung
Mehrere Studien haben eine Korrelation zwischen der Plasmakonzentration von Proteaseinhihitoren und deren antiviraler Wirksamkeit nachgewiesen [38,39]. Obwohl der Nutzen des therapeutischen Drug-Monitorings aus Mangel an prospektiven Studien noch umstritten ist [40,41] kann die Bestimmung der Plasmaspiegel in bestimmten klinischen Situationen hilfreich sein.

Jede Entscheidung über eine Dosismodifikation muss die hohe Variabilität der intraindividuellen Plasmaspiegel zu unterschiedlichen Zeitpunkten aufgrund von Nahrungseffekten, Krankheitsstadium und Adhärenz berücksichtigen.

Die Indikationsstellung für ein therapeutische Drug-Monitoring ergibt sich aus den klinisch-pharmakologischen Eigenschaften der eingesetzten antiretroviralen Medikamente:

NRTIs müssen intrazellulär durch Phosphorylierung in ihre Wirkform überführt werden. Es besteht keine klare Beziehung zwischen Wirkung und Höhe der Plasmaspiegel. Eine Medikamentenspiegelbestimmung in Plasma oder Serum ist bei diesen Substanzen daher nicht sinnvoll.

Proteaseinhibitoren zeichnen sich durch eine erhebliche inter- und intraindividuelle Variabilität bezüglich ihrer gastrointestinalen Absorption aus. Der Abbau kann durch andere Pharmaka gehemmt und induziert werden. Daraus ergeben sich komplexe Interaktionsmöglichkeiten (Tab. 6).

NNRTIs werden besser und gleichmäßiger als die PIs gastrointestinal absorbiert. Interaktionen beim metabolischen Abbau spielen ebenfalls eine erhebliche Rolle.

Insgesamt sollte eine Medikamentenspiegelkontrolle bei folgenden therapeutischen Situationen durchgeführt werden:

  • bei komplexen Wirkstoffkombinationen und Begleitmedikationen, die zu Interaktionen führen können (Tab. 6)
  • bei mangelnder Wirksamkeit eines Wirkstoffes oder einer Wirkstoffkombination
  • bei Hinweisen auf eine Absorptionsstörung
  • beim Auftreten toxischer Effekte
  • bei deutlich eingeschränkter Leberfunktion

Für die Beurteilung der Wirksamkeit ist der Talspiegel der wichtigste Parameter, während für die Einschätzung des Toxizitätspotentials der Gesamtverlauf der Medikamentenspiegel betrachtet werden muss.


Tabelle 6: Medikamentenwechselwirkungen zwischen Protease-Inhibitoren und NNRTI
(Cave! Hohe interindividuelle Variabilität)
Für therapienaive Patienten wird nur die Kombination aus PI, PI+RTV oder NNRTI+NRTI empfohlen. Wenn eine andere Kombination (z.B. geboosteter/ungeboosteter Doppel PI oder PI+NNRTI) eingesetzt wird, gelten die Dosierungen nur dann, wenn das Virus des Patienten auf dem jeweiligen Genabschnitt vom Wildtyp ist. Das bedeutet z.B., dass bei der Kombination Kaletra+Fortovase die angegebene Dosierung ausreicht um das Wildtypvirus zu hemmen, dass aber bei PI vorbehandelten Patienten mit mutierten Viren die mit der Dosierung erreichten Spiegel unter Umständen um ein Vielfaches zu niedrig liegen!
  Indinavir Ritonavir
Indinavir   Indinavir-Spiegel: 2-5x erhöht
Ritonavir-Spiegel: AUC und Cmin (im Vergleich zu historischen Daten) erhöht
Dosierung:
RTV als Booster:
RTV 2x 100mg,
IDV 2x 800mg
(ggf. Dosisreduktion von IDV auf 2x 600mg unter TDM)
oder
RTV 2x 400mg/Tag,
IDV 2x 400mg/Tag
Ritonavir Indinavir-Spiegel: 2-5x erhöht
Ritonavir-Spiegel: AUC und Cmin (im Vergleich zu historischen Daten) erhöht
Dosierung:
RTV als Booster:
RTV 2x 100mg,
IDV 2x 800mg
(ggf. Dosisreduktion von IDV auf 2x 600mg unter TDM)
oder
RTV 2x 400mg/Tag,
IDV 2x 400mg/Tag
 
Nelfinavir Indinavir-Spiegel 50% erhöht
Nelfinavir-Spiegel 80% erhöht
Dosierung:
NFV 2x 1250mg
IDV 2x 1200mg
Ritonavir-Spiegel unverändert
Nelfinavir+M8 Metabolit: Cmax/AUC/C12h auf 1,4/1,4/1,7 fachen Wert erhöht
Dosierung:
RTV als Booster: (nur bei unzureichenden Spiegeln):
NFV 2x 1250mg
RTV 2x 100mg
Saquinavir* Saquinavir-Spiegel 4-7fach erhöht
Indinavir-Spiegel unverändert
in-vitro Antagonismus!!
Ritonavir-Spiegel unverändert
Saquinavir-Spiegel 20fach erhöht
Dosierung:
RTV als Booster:
RTV 2x 100mg
SQV (Fortovase®/ Invirase®) 2x 1000mg
oder
SQV 2x 400mg
RTV 2x 400mg
Amprenavir Amprenavir AUC um 33% erhöht, Cmax und Cmin Erhöhung nicht signifikant

Indinavir (Achtung, Vergleich mit historischen Daten) Cmax/AUC/Cmin um 22%/38%/27% erniedrigt.
Dosierung (Kombination klinisch nicht untersucht):
APV 2x 600mg
IDV 2x 800mg
RTV 2x 100mg
Amprenavir: AUC/Cmin 2-4/6-10fach erhöht, Cmax unverändert
Dosierung:
RTV als Booster
APV 2x 600mg - 1200mg
RTV 2x 100mg - 200mg

oder
APV 1x 1200mg
RTV 1x 200mg
Lopinavir/
Ritonavir
Erhöhung von Indinavir AUC und Cmin
Dosierung:
LPV/r 2x 400/100mg
IDV 2x 800mg
(ggf. Dosisreduktion von IDV auf 2x 600mg unter TDM)
Zusätzliche Gabe von Ritonavir erhöht Lopinavirkonzentration

Ritonavirspiegel in fixer Loinavir-Ritonavir- Kombination liegt 3fach niedriger als bei Kombination von Ritonavir 100mg bid mit Indinavir oder Saquinavir
Nevirapin Nevirapin-Spiegel unverändert
Indinavir:
Cmin/AUC/Cmax um 48%/27%11% erniedrigt
Dosierung:
Indinavir 3x 1000mg
NVP 2x 200mg
(Kombination mit RTV klinisch nicht ausreichend untersucht)
Ritonavir-Spiegel 11% erniedrigt
Nevirapin-Spiegel unverändert
Dosierung:
Standarddosierung
Delavirdin Indinavir-Spiegel 40% erhöht
Delavirdin-Spiegel unverändert
Dosierung (klinisch nicht ausreichend untersucht):
Indinavir 2x 1200mg
Delavirdin 2x 600mg
Ritonavir-Spiegel um ca. 70% erhöht
Delavirdin-Spiegel unverändert
Dosierung: klinisch nicht ausreichend untersucht
Efavirenz Indinavir-Spiegel um 30% erniedrigt
Efavirenz-Spiegel unverändert
Dosierung:
Indinavir 3x 1000mg
Efavirenz 1x 600mg
Kombination mit RTV klinisch nicht ausreichend untersucht
Ritonavir-Spiegel um 15-20% erhöht
Dosierung:
Ritonavir 2x 500mg - 2x 600mg/Tag
Efavirenz-Spiegel um ca. 20% erhöht
Standarddosierung
 
  Nelfinavir Saquinavir*
Indinavir Indinavir-Spiegel um 50% erhöht
Nelfinavir-Spiegel um 80% erhöht
Dosierung:
IDV 2x 1200mg
NFV 2x 1250mg
Indinavir-Spiegel unverändert
Saquinavir-Spiegel 4-7fach erhöht
in-vitro Antagonismus!!
Ritonavir Ritonavir-Spiegel unverändert
Nelfinavir+M8 Metabolit: Cmax/AUC/C12h auf 1,4/1,4/1,7 fachen Wert erhöht
Dosierung:
RTV als Booster: (nur bei unzureichenden Spiegeln):
NFV 2x 1250mg
RTV 2x 100mg
Ritonavir-Spiegel unverändert
Saquinavir-Spiegel 20fach erhöht
Dosierung:
RTV als Booster:
RTV 2x 100mg
SQV (Fortovase®/ Invirase®) 2x 1000mg
oder
SQV 2x 400mg
RTV 2x 400mg
Nelfinavir   Nelfinavir-Spiegel 20% erhöht
Saquinavir-Spiegel 3-5fach erhöht
Dosierung:
NFV 2x 1250mg
SQV (Fortovase®) 2x 1200mg
Saquinavir* Saquinavir-Spiegel 3-5fach erhöht
Nelfinavir-Spiegel 20% erhöht
Dosierung:
NFV 2x 1250mg
SQV (Fortovase®) 2x 1200mg
 
Amprenavir Amprenavir: Cmin 3fach erhöht, Cmax/AUC nicht signifikant verändert
Nelfinavir: (Achtung, Vergleich mit historischen Daten) Cmax/AUC/Cmin unverändert
Dosierung: ungenügende Datenlage:
(APV 2x 600mg
NFV 2x 1250mg
RTV 2x 100mg)
Amprenavir: Cmax/AUC um 37%/32% reduziert, Cmin Reduktion nicht signifikant

Saquinavir: (Achtung, Vergleich mit historischen Daten) Cmax um 21% erhöht, AUC um 19%, Cmin um 48% reduziert

SQV 2x 1000mg +
RTV 2x 100mg
APV 2x 600mg
Lopinavir/
Ritonavir
keine Daten Anstieg von Saquinavir AUC und Cmin
Dosierung:
LPV/r 2x 400/100mg
SQV 2x 1000mg
Nevirapin Standarddosierungen Saquinavir-Spiegel um 25% erniedrigt,
NVP-Spiegel unverändert
Kombination ohne RTV vermeiden
Kombination mit RTV klinisch nicht ausreichend untersucht
Evtl. SQV/RTV:
2x 1000mg/100mg
NVP: 2x 200mg
Delavirdin Nelfinavir-Spiegel 2-fach erhöht, antiviral aktiver Nelfinavir-Metabolit um ca. 50% erniedrigt (der Spiegel des Metaboliten beträgt ohne Gabe von RTV ca. 20% des Nelfinavir-Spiegels, daher ist diese Reduktion von geringer Bedeutung)
Delavirdin 50% erniedrigt
Dosierung: klinisch nicht ausreichend untersucht
Kontrolle auf neutropenische Komplikationen in den ersten Monaten
Saquinavir-Spiegel 5fach erhöht,
Delavirdin-Spiegel unverändert
Dosierung:
Delavirdin: 2x 600mg
Saquinavir: 2x 1400mg

Kontrolle der Transaminasen
Efavirenz Nelfinavir-Spiegel um ca. 20% erhöht,
Keine Dosisänderung
Keine Veränderung des EFV-Spiegels
Standarddosierung
Saquinavir-Spiegel um 60% gesenkt
Efavirenz-Spiegel um ca. 12% reduziert
wegen starker Erniedrigung des Saquinavir-Spiegels Kombination nicht zu empfehlen
In Kombination mit RTV ± SQV evtl.
SQV/RTV: 2x 1000mg/100mg
EFV 1x 600mg
 
  Amprenavir Efavirenz
Indinavir Amprenavir AUC um 33% erhöht, Cmax und Cmin Erhöhung nicht signifikant

Indinavir (Achtung, Vergleich mit historischen Daten) Cmax/AUC/Cmin um 22%/38%/27% erniedrigt.
Dosierung (Kombination klinisch nicht untersucht):
APV 2x 600mg
IDV 2x 800mg
RTV 2x 100mg
Indinavir-Spiegel um 30% erniedrigt
Efavirenz-Spiegel unverändert
Dosierung:
Indinavir 3x 1000mg
Efavirenz 1x 600mg
Kombination mit RTV klinisch nicht ausreichend untersucht
Ritonavir Amprenavir: AUC/Cmin 2-4/6-10fach erhöht, Cmax unverändert
Dosierung:
RTV als Booster
APV 2x 600mg - 1200mg
RTV 2x 100mg - 200mg

oder
APV 1x 1200mg
RTV 1x 200mg
Ritonavir-Spiegel um 15-20% erhöht
Dosierung:
Ritonavir 2x 500mg - 2x 600mg/Tag
Efavirenz-Spiegel um ca. 20% erhöht
Standarddosierung
Nelfinavir Amprenavir: Cmin 3fach erhöht, Cmax/AUC nicht signifikant verändert
Nelfinavir: (Achtung, Vergleich mit historischen Daten) Cmax/AUC/Cmin unverändert
Dosierung: ungenügende Datenlage:
(APV 2x 600mg
NFV 2x 1250mg
RTV 2x 100mg)
Nelfinavir-Spiegel um ca. 20% erhöht,
Keine Dosisänderung
Keine Veränderung des EFV-Spiegels
Standarddosierung
Saquinavir Amprenavir: Cmax/AUC um 37%/32% reduziert, Cmin Reduktion nicht signifikant

Saquinavir: (Achtung, Vergleich mit historischen Daten) Cmax um 21% erhöht, AUC um 19%, Cmin um 48% reduziert

SQV 2x 800-1000mg +
RTV 2x 100mg
APV 2x 600mg
Saquinavir-Spiegel um 60% gesenkt
Efavirenz-Spiegel um ca. 12% reduziert
wegen starker Erniedrigung des Saquinavir-Spiegels nicht zu empfehlen

Nur in Kombination mit RTV empfohlen:
SQV/RTV: 2x 1000mg/100mg
EFV 1x 600mg
Amprenavir   Amprenavir Cmax/AUC/Cmin erniedrigt
Dosierung:
APV 2x 1200mg
RTV 2x 200mg
EFV 1x 600mg
Lopinavir/ Ritonavir Unzureichende Datenlage: Hinweise auf Erniedrigung der APV-Spiegel.
LPV-Spiegel vermutlich unverändert
Dosierung (klinisch nicht ausreichend untersucht):

APV 2x 750mg
LPV/r 2x 400mg/100mg
Reduzierung von Lopinavir AUC/Cmin um 35-49%/20-25%
Efavirenz-Spiegel unverändert

Dosierung: Lopinavir/Ritonavir 2x 533/133mg
EFV 1x 600mg
Nevirapin Amprenavir-Talspiegel um 22-42% reduziert

Dosierung:
Klinisch nicht ausreichend untersucht
 
Delavirdin Keine Daten  
Efavirenz Amprenavir Cmax/AUC/Cmin erniedrigt
Dosierung:
APV 2x 1200mg
RTV 2x200mg
EFV 1x 600mg
 
 
  Nevirapin Delavirdin
Indinavir Nevirapin-Spiegel unverändert
Indinavir: Cmin/AUC/Cmax um 48%/27%/11% erniedrigt
Dosierung:
Indinavir 3x 1000mg
NVP 2x 200mg
(Kombination mit RTV klinisch nicht ausreichend untersucht)
Indinavir-Spiegel 40% erhöht
Delavirdin-Spiegel unverändert
Dosierung (klinisch nicht ausreichend untersucht):
Indinavir 2x 1200mg
Delavirdin 2x 600mg
Ritonavir Ritonavir-Spiegel 11% erniedrigt
Nevirapin-Spiegel unverändert
Dosierung:
Standarddosierung
Ritonavir-Spiegel um 70% erhöht
Delavirdin-Spiegel unverändert
Dosierung: klinisch nicht ausreichend untersucht
Nelfinavir Standarddosierungen Nelfinavir-Spiegel 2-fach erhöht, antiviral aktiver Nelfinavir-Metabolit um ca. 50% erniedrigt (der Spiegel des Metaboliten beträgt ohne Gabe von RTV ca. 20% des Nelfinavir-Spiegels, daher ist diese Reduktion von geringer Bedeutung)
Delavirdin 50% erniedrigt
Dosierung: klinisch nicht ausreichend untersucht
Kontrolle auf neutropenische Komplikationen in den ersten Monaten
Saquinavir* Saquinavir-Spiegel um 25% erniedrigt,
NVP-Spiegel unverändert
Kombination ohne RTV vermeiden
Kombination mit RTV klinisch nicht ausreichend untersucht
Evtl. SQV/RTV:
2x 1000mg/100mg
NVP 2x 200mg
Saquinavir-Spiegel 5fach erhöht,
Delavirdin-Spiegel unverändert
Dosierung:
Delavirdin: 2x 600mg
Saquinavir: 2x 1400mg

Kontrolle der Transaminasen
Amprenavir Amprenavir-Talspiegel um 22-42% reduziert

Dosierung:
Klinisch nicht ausreichend untersucht
keine Daten
Lopinavir/
Ritonavir
Lopinavir Cmin/AUC um 35-40%/20-25% reduziert.
Dosierung: Eventuell Erhöhung der Lopinavir/Ritonavir-Dosis auf 2x 533/133mg
NVP 2x 200mg
Lopinavir-Spiegel Cmin/AUC um 44/25% erhöht
Delavirdin-Spiegel vermutlich geringfügig verringert
Dosierung: klinisch nicht ausreichend untersucht


Therapiewechsel und -unterbrechung
Änderungen der Therapie können aufgrund von Unwirksamkeit und Nebenwirkungen notwendig werden. Eine klare Definition eines Versagens einer antiretroviralen Therapie kann derzeit nicht gegeben werden, eine Reihe von Experten sehen jeden kontrollierten Wiederanstieg der HIV-RNA vom nicht messbaren in den messbaren Bereich als Versagen an, die konservativste Definition geht von einem Wiederanstieg in den Bereich von weniger als 1 log 10 unterhalb des Ausgangswertes aus. Das bei einem Therapieversagen auszuwählende Alternativregime sollte einen Wechsel möglichst aller nicht mehr aktiven Substanzen beinhalten sowie den Einsatz einer neuen Substanzklasse. Im Regelfall sollte die Auswahl der neuen Kombination auf Grundlage der Ergebnisse einer Resistenztestung erfolgen. Insbesondere Entscheidungen über Zweit- und Alternativtherapien erfordern Spezialkenntnisse und sollten nur von besonders erfahrenen und informierten Ärzten getroffen werden.
Eine Umstellung einer wirksamen Therapie bei Patienten mit schweren Nebenwirkungen ist selbstverständlich möglich. Dies ist die einzige klinische Situation, in der zum Austausch nur eines Medikamentes geraten werden kann. Bei notwendigen Therapieunterbrechungen sind alle Substanzen gleichzeitig (ggfs. unter Beachtung der pharmakologischen Daten) abzusetzen (BIII). Unterbrechungen oder Pausen der antiretroviralen Therapie werden derzeit in mehreren Studien auf ihre Langzeitwirkung untersucht.


Therapiepausen
Unterbrechungen der Therapie können vor allem bei Auftreten von Nebenwirkungen und Unverträglichkeiten notwendig werden. Ob hierdurch langfristig ein therapeutischer Nachteil entsteht, ist nicht klar.

Ein relativ neues Konzept zur zeitweisen Unterbrechung der Therapie sind die sogenannten strukturierten Therapiepausen. Dieses Konzept beruht auf der Beobachtung, dass in der Phase der Immunrekonstitution durch die antiretrovirale Therapie die zelluläre Immunantwort gegen opportunistische Pathogene messbar besser wird, jedoch nicht die HIV-spezifische zelluläre Immunantwort. Als Grund hierfür wurde eine mangelnde Antigenpräsenz von HIV nach Absinken der Virämie unter HAART vermutet. Um eine Reexposition mit HIV-Antigenen natürlich zu erzielen, wurde das Konzept strukturierter Therapiepausen mit sich abwechselnden Phasen einer antiretroviralen Therapie und Pausen entwickelt, um so in der therapiefreien Zeit eine natürliche Autovakzination zu erzielen. Diese sogenannten strukturierten Therapiepausen werden derzeit nach einer Vielzahl von Pilot- und randomisierten Studien kontrovers beurteilt.

Aufgrund der Forschungen der letzten Jahre ist deutlich geworden, dass Therapiepausen in unterschiedlichen klinischen Settings und mit unterschiedlichen Zielsetzungen auch unterschiedlich bewertet werden müssen. Derzeit werden Therapiepausen durchgeführt:

  1. nach nach heutiger Einschätzung sehr frühem Therapiebeginn
  2. bei Behandlung einer akuten HIV-Infektion während oder kurz nach der Serokonversion mit dem Ziel der Verbesserung der endogenen Immunantwort
  3. vor einem Therapiewechsel bei intensiv vorbehandelten Patienten zur Reversion oder Reduktion von Resistenz-Mutationen
  4. zur strategischen Vermeidung von Langzeitnebenwirkungen
  5. bei toxischen Nebenwirkungen
  6. bei dringendem Wunsch des Patienten

Für alle diese Situationen sind die Längen der Therapiepausen arbiträr gewählt worden. Eine definierte Länge einer Therapiepause, die sich in einer dieser Situationen als "beste" herausgestellt hätte, ist nicht bekannt. Ebenfalls ist nicht klar zu welchem Zeitpunkt (kritische CD4-Zellzahl und/oder Viruslast) die Therapie wieder aufgenommen werden sollte.

Kontrollierte Studien, die untersuchen, ob Therapiepausen zu einer rascheren Resistenzentwicklung oder auch zu häufigeren klinischen Komplikationen führen, werden derzeit durchgeführt. Eine abschließende Bewertung ist derzeit noch nicht möglich. Nach Möglichkeit sollten daher Therapiepausen zu den unter 2-4 aufgeführten Intentionen innerhalb von kontrollierten Studien durchgeführt oder beobachtet werden.

Zu 1: Keine Informationen über den Wert oder die Nachteile einer Therapiepause existieren für die Gruppe von Patienten, bei denen eine Therapie nach heutiger Einschätzung zu früh begonnen wurde. Die überwiegende Mehrzahl dieser Patienten hat eine gute Virussuppression und Normalisierung der Parameter des Immunsystems erreicht. Viele dieser Patienten sind jedoch besorgt wegen der potentiellen Langzeittoxizität der Therapie. Eine Entscheidung für die Fortführung oder Unterbrechung der Therapie bei Patienten dieser Gruppe kann derzeit nur individuell und ohne klare Evidenz für eine der beiden Optionen getroffen werden.

Zu 2: Positive Effekte von Therapiepausen sind bisher vor allem in kleinen Pilotstudien bei Patienten mit einer sehr frühen Behandlung bei akuter HIV-Infektion beobachtet worden. Hier wurden insbesondere bei sehr früher Behandlung (vor dem 60. Tag nach der Exposition) bei einigen Patienten Hinweise für eine bessere immunologische Kontrolle der HIV-Infektion nach mehreren Therapiepausen gefunden. Ob dies Folge der Frühbehandlung ist oder aber STI zusätzlichen Nutzen haben kann derzeit nicht sicher abgeschätzt werden.

Die Mehrzahl der Studien wurde bei Patienten mit chronischer HIV-Infektion durchgeführt. Bei dieser derzeit größten behandelten Gruppe sind immunologische oder virologische Vorteile durch Pausen nicht zu erwarten, möglicherweise aber eine Reduktion von Toxizität und Kosten (siehe unter 4). In einer der wenigen größeren prospektiven Studien (SSIT) konnte kein immunologischer oder virologischer Vorteil bei chronisch infizierten Patienten unter STI nachgewiesen werden, es konnte jedoch eine Reduktion erhöhter Blutfettwerte registriert werden.

Bei einer Therapieunterbrechung oder -pause ist mit einem raschen Wiederanstieg der Viruslast zu rechnen, welcher vermutlich auch eine Erhöhung der Infektiosität bedeutet. Darüber sollte der Patient aufgeklärt werden. Therapiepausen sollten nicht ohne schwerwiegende Gründe bei Patienten eingesetzt werden, deren Immundefekt (CD4<200/µl) zu Beginn der Behandlung weit fortgeschritten war oder die initial eine hohe Viruslast geboten haben (>500.000 Kopien/ml). Hier ist mit einer raschen und nachhaltigen Verschlechterung der immunologischen Situation unter STI zu rechnen.


Schwangerschaft, Kinder, PEP
Es liegen Empfehlungen zur antiretroviralen Therapie bei HIV-infizierten Kindern vor [42]. Zur Therapie in der Schwangerschaft und zur Postexpositions-Prophylaxe nach HIV-Exposition sind Deutsch-Österreichische Empfehlungen verfasst worden, deshalb wird an dieser Stelle darauf nicht eingegangen [43,44].


Die vorstehenden Richtlinien wurden verabschiedet von:
der Deutschen AIDS-Gesellschaft (DAIG) und
der Österreichischen AIDS-Gesellschaft (ÖAG)

sowie

  • der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ)
  • der Deutschen Arbeitsgemeinschaft niedergelassener Ärzte in der Versorgung von HIV- und AIDS-Patienten (DAGNÄ)
  • der Deutschen Cochrane-Gruppe
  • der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie
  • der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG)
  • der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI)
  • der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM)
  • der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH)
  • der Deutschen Gesellschaft für Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgie (DGMKG)
  • der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP)
  • der Deutschen STD-Gesellschaft (DSTDG)
  • der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI)
  • der Deutschen Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten (DVV) und
  • der Kommission für Antivirale Chemotherapie der Gesellschaft für Virologie (GfV)
  • der Deutschen AIDS-Hilfe (DAH)
  • dem Nationalen Referenzzentrum für Retroviren (NRZ), Erlangen und
  • dem Robert-Koch-Institut (RKI)



 

 


 
 

© Robert Koch-Institut, 2002