Hämoglobin-Defekte
Hämoglobin besteht aus 4 Peptidketten (und 4 Hämgruppen), von denen jeweils
2 Ketten gleich sind:
Normale Hb-Verteilung beim Erwachsenen:
- 96 % HbA (a2 b2)
- 3% HbA2 (a2 d2)
- 1% HbF (a2 g2)
: Fetales Hämoglobin
Mögliche Störungen der Hämoglobin-Synthese:
Autosomal-kodominanter (d.h. nur Homozygote erkranken, heterozygote
Defektträger sind asymptomatisch) Defekt in der b-Kette
des Hämoglobins:
HbS: In der Aminosäuresequenz ist in Position 6 der b-Kette
Glutaminsäure durch Valin ersetzt.
- Bei Homozygoten ist das physiologische HbA komplett durch HbS ersetzt. Das
Hämoglobin besteht dann auch 80-95% HbS und 2-20% HbF; HbA2 ist mit 2%
unverändert.
- Bei Heterozygoten wird nur ein Teil das HbA durch HbS ersetzt: das
Hämoglobin besteht dann zu 32-45% aus HbS und 52-65% HbA.
In Afrika sind 25% Genträger, in den USA 8%
Blutbild:
- Anämie (Hb: 3,7-5 mmol/l = 6-8 g/dl)
- Retikulozytose um 10%
- Sichelzellen im Blutausstrich
- Nachweis durch Hb-Elektrophorese (80-95% HbSS)
Folgen:
- Bei reduziertem pO2 (z.B bei Kälte in den Akren ==>
Hypoxie, pH-Abfall ==> O2-Abgabe) ==>
Bildung von Hb-Aggregaten ==> Sichelung der Erythrozyten
- Zunächst ist diese Sichelung bei O2-Aufnahme wieder
reversibel, nach mehrmaligen Zyklen wird die Membran jedoch starrer, bis
schließlich die Sichelung irreversibel wird ==> Zellmauserung in
der Milz (Hämolyse), mittlere Ery-Überlebenszeit 10-15 Tage.
- Die Sichelzellen verlieren K+ und H2O (dunklere
Färbung), es kommt zum Ca++-Influx
- Durch die geänderte Verformbarkeit der Erythrozyten kommt es zur
Viskositätserhöhung, schließlich bilden sich Sichelzellpfröpfe mit
multiplen Thromben.
- ==> Zirkulationsstörungen, Organinfarkte (Milz, Niere, Gehirn, ...)
- rezidivierende Milzinfarkte ==> "Autosplenektomie" ==>
erhöhte Infektneigung (==> Pneumokokkenimpfung!)
Sichelzellkrise:
Durch veränderte Milieubedingungen im Blut (Hypoxie, Infektionen, Kälte,
Dehydratation, Azidose ,..)
- Knochenschmerzen
- akutes Abdomen (Okklusion von Mesenterialgefäßen)
- Mikroinfarkte der Lunge mit Superinfektionen und pleuritischen
Beschwerden (acute chest syndrome)
- Schlaganfall
Therapie:
- Vermeiden von auslösenden Faktoren (Fliegen ohne Druckkabine, Kälte,
...)
- Bei akuten Krisen:
- Flüssigkeitssubstitution, O2-Gabe, Analgesie
- Antibiotikagabe (auslösenden Infekt bekämpfen)
- Bluttransfusion nur bei schwerer Anämie
- Gabe von Hydroxharnstoff (Hydroxyurea) ==> Stimulation der HbF-Bildung
- Allogene Stammzell-TX
Patienten mit HbS zeigen eine erhöhte Resistenz gegen Malaria, eventuell
aufgrund veränderter Erythrozyten-Oberfläche.
Autosomal-dominanter Defekt der b-Kette des
Hämoglobins.
- Homozygote entwickeln die Thalassaemia major ==> schwere Symptomatik
- Heterozygote entwickeln die Thalassaemia minor ==> geringere
Symptomatik
Dadurch ist der Anteil funktionsfähiger Globulinketten des Hb verringert,
kompensatorisch findet eine vermehrte Synthese von g-
und d-Ketten statt. Es finden sich folglich abnorm
hohe Anteile von HbF.
Folgen:
- Präzipitation der überwiegenden Globinketten innerhalb der roten
Vorläuferzellen (==> ineffektive Hämatopoese)
- Präzipitation der überwiegenden Globinketten im reifen Erythrozyten
(==> Hämolyse der Zelle)
- hypochrome Anämie mit "Schießscheibenzellen" = "Target-Zellen"
(Da die Hb-Konzentration pro Erythrozyten verringert ist)
- abnorm hohe Anteile an HbF (30-95%) und HbA2. HbA1
fehlt oder liegt nur in geringer Konzentration vor
- K+-Verlust aus den Erythrozyten
Klinik:
- Thalassaemia minor:
- ev. leichte Splenomegalie
- Blutbild: mikrozytäre, hypochrome Anämie (MCV und MCH erniedrigt),
Targetzellen und Retikulozytose
- Serumeisen und Ferritin erhöht (Ggs. zur Eisenmangelanämie!)
- Osmotische Resistenz erhöht (Ggs. zur Sphärozytose)
- Thalassaemia intermedia:
- mittelschwere Anämie
- Ikterus
- Splenomegalie
- eingeschränklte Leistungsfähigkeit
- häufig Gallensteine (Bilirubin!) und Eisenüberladung
- Thalassaemia major:
- schwere, transfusionspflichtige Anämie mit Zeichen der extramedullären
Erythropoese
- Hepatosplenomegalie
- Knochenmarkshyperplasie
- Rö:
"Bürstenschädel"
- Blutbild: schwere mikrozytäre, hypochrome Anämie, Serumeisen und
Ferritin erhöht
- Hämochromatose mit Fe-Ablagerung in Organen und Knochenmark (Sideroblasten)
Therapie:
- Regelmäßige Bluttransfusionen unter Verwendung von Leukozytnfiltern
(Vermeidung von AK-Bildung)
- Ev. Splenektomie (nach dem 6. LJ.)
- Transfusionshämosiderose wird mit Eisenchelatbildnern (Desferoxamin) und
enteraler Vit-C-Gabe behandelt
- Knochenmarks-TX (80% Erfolgsrate, Mortalität 5-10% aufgrund GvH-Reaktion)
a-Thalassämie
Seltener Defekt von 1 - 4 der Gene für
das a-Globin des Hämoglobins. Wenn alle 4
Gene versagen, kommt es bereits intrauterin zum Fruchttod.