Schizophrene Pyschosen
ICD-10: F20-F29
Erkrankungsrisiko (Lebenszeitrisiko) etwa 1%, m:w = 1: 1, bei Frauen aber
meist späterer Erkrankungsbeginn
Bei >50% Beginn zwischen Pubertät und 30. LJ.
"Spätschizophrenie": > 40. LJ. Meist chronisch verlaufende
paranoide Form, fast nur Wahnsymptomatik, gut erhaltene Persönlichkeit.
Ätiologie:
- Genetische Disposition
- Perinatale Schädigungen ("minimal brain dysfunction")
- psychoanalytische Faktoren:
- dominante schiozophrene Mutter
- Störungen im Rollengefüge der Familie
- pathologische Kommunikationsmuster in der Familie
- "life-event"-Belastung
Morphologisch / biochemische Befunde:
- Erweiterung des 3. Ventrikels
- Temporallappenverkleinerung
- Überaktivität zentralnervöser Dopamin-D2-Rezeptoren im
mesolimbischen System
Symptomatik:
- Grundlegende Persönlichkeitsstörung/-änderung
- charakteristische Verzerrungen von Denken und Wahrnehmung
- unangepasste oder abgeflachte Affekte
Diagnoseschema nach ICD-10:
Erforderlich ist
- mindestens ein eindeutiges Symptom aus der Gruppe 1
- oder mindestens 2 Symptome aus
Gruppe 2
für mindestens 4 Monate
Gruppe 1:
- Ich-Störungen: Gedankenlautwerden, Gedankeneingebung oder
Gedankenentzug, Gedankenausbreitung, Wahnwahrnehmung,
Depersonalisierungsgefühl
- Wahn I: Kontrollwahn, Beeinflussungswahn, Wahninhalte anderer
Art, Gefühl des Gemachten bzgl. Körperbewegungen, Tätigkeiten,
Empfindungen
- Akustische Halluzinationen: Kommentierende Stimmen oder
dialogische Stimmen, die über den Patienten sprechen, haben eine
ähnliche Bedeutung wie fast alle halluzinierten Stimmen, die Wochen
oder Monate ständig vorhanden sind.
- Wahn II: Zusätzlich können flüchtige, parathyme und nur
teilweise ausgearbeitete Wahngedanken jeglichen Inhalts oder
überwertige Ideen auf die Diagnose hinweisen, wenn sie von
Halluzinationen (jeder Sinnesmodalität) begleitet sind.
Gruppe 2:
- "negative Symptome" wie verflachte oder inadäquate
emotionale Reaktionen, zunehmende Apathie, Sprachverarmung
- Denkstörungen: Gedankenabreißen oder Einschiebungen in den
Gedankenfluss (==> Danebenreden und Zerfahrenheit), Neologismen
- andere Halluzinationen
- katatone Symptome: Mutismus (spricht nicht), Katalepsie
(Verformbarkeit wie eine Gliederpuppe), katatone Erregung:
Stereotypien (rhytmische Bewegungsabläufe), Schreien, Kleider
herunterreißen, Grimassieren, ungeordneter Bewegungssturm, ziellose
Aggressivität (Raptus). Negativismus (tut das Gegenteil von allem),
Befehlsautomatie, Echolalie, Echopraxie
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Differentialdiagnose:
- Bei Dauer unter 1 Monat: "schizophreniforme Erkrankung"
- Auch schizophrene Symptome bei depressiven oder manischen Erkrankungen
möglich
- Bei eindeutiger Gehirnerkrankung, unter Drogenintoxiaktion oder während
des Entzugs sollte nicht von Schizophrenie gesprochen werden.
- Ähnlich Zustandbilder: Epilepsie, Suchterkrankungen, andere
Hirnerkrankungen
Subtypen:
- Paranoid-halluzinatorische Form (F20.0)
- Katatone Form (F20.2)
- Hebephrene Form (läppisch-affektive Symptomatik) (F20.1)
- Schizophrenia simplex (eher nur Minus-Symptomatik) (F20.6)
- Latente Schizophrenie (schizotype Störung)
Verlauf:
Oft uncharakteristisches Prodromalstadium: pseudoneurastenisch oder
depressiv)
Schubweiser Verlauf mit zunehmender Residualsymptomatik
Prognose: je akuter der Beginn (situative Auslöser!), desto günstiger die
PRognose. Die hebephrene Form neigt besonders zur Chronifizierung, die katatone
eher zur Remission
Diagnose des schizophrenen Residuums nach ICD-10:
- Auffallende Negativsymptome (psychomotorische Verlangsamung,
verminderte Aktivität, Affektverflachung, Passivität und
Initiativemangel, sprachliche Verarmung, verringerte nonverbale
Kommunikation, körperliche und/oder soziale Verwahrlosung)
- Früher mind. eine psychotische Episode entsprechend eine
Schizophrenie
- Mind. 1 Jahr geringerer Positivsymptome und eher nur
Negativsymptomatik.
- Keine Demenz oder andere organische Hirnschädigung, keine
chronische Depression oder Hospitalismus, die die Negativsymptome
erklären könnte.
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Therapie:
Bei akuter Gefährdung u.U. nach dem Unterbringungsgesetz ohne oder gegen den
Willen des Kranken
1. Akutphase: Neuroleptika zur Blockade der postsynaptischen D2-Rezeptoren
Atypische Neuroleptika (geringere exptrapyramidale Nebenwirkungen, wirken
auch gegen Negativsymptome)
- Clozapin (Leponex ®): CAVE: Agranulozytose
- Amisulpril (Solian ®)
- Olanzapin (Zyprexa ®)
- Risperdon (Risperdal ®)
- Bei ambulanter Therapie einschleichend dosieren
- Ggf. zur Sedierung zusätzlich 1-3 x 100mg Thioridazin (Melleril ®)
Nur bei Therapieresistenz umsteigen auf klassische Neuroleptika:
- 3 x 3-5mg Haloperidol (Haldol ®) p.d.
- 100-300mg Perazin (Taxilan ®) p.d.
Bei katatonen Formen auf Wasser-Elektrolytbilanz achten! Zusätzlich
Behandlung mit Lorazepam und Elektrokrampftherapie möglich.
Nach Abklingen der akuten Phase Erhaltungstherapie für mind. 1 Jahr.
2. Psychotherapie:
supportiv (Mut machen, die Bürde der Erkrankung zu tragen)
Wichtig: Balance zwischen über- und Unterstimulation finden
3. Soziotherapie
zur Reduktion der Minussymptomatik: Gruppendynamik, Arbeits- und
Beschäftigungstherapie, Strukturierung des Tagesablaufs