Österreichische Stalin-Opfer (bis 1945)
Name: Brüll Josef
Name russisch: Брюль (Брюлль, Брулль) Иосиф Максимович Geboren: 27.02.1892, Wien Beruf: Ingenieur Letzter Wohnort in Österreich: Wien Ankunft in Russland/Sowjetunion: 25.04.1934 Wohnorte in der Sowjetunion: Moskau Verhaftet: 17.03.1938, Moskau Anklage: Spionage Urteil: 17.05.1938, Dvojka, Tod durch Erschießen Gestorben: 28.05.1938, Butovo Rehabilitiert: 18.08.1956, Oberstes Gericht der UdSSR Emigrationsmotiv: Schutzbund-Emigration Schicksal: erschossen Kurzbiografie: Josef Brüll wurde 1892 in Wien geboren. Er war jüdischer Abstammung, sein Vater war Weinhändler in der Inneren Stadt. Josef Brüll machte eine Ausbildung zum Elektroingenieur im Technologischen Gewerbemuseum, die er 1913 abschloss. Anschließend arbeitete er in einem technischen Büro. Von 1914 bis 1918 diente er in der k.u.k. Armee, zuletzt als Oberleutnant und Kompaniekommandant. Von 1918 bis 1920 war er stellvertretender Leiter des Wiener Arsenals, dann von 1920 bis 1929 Leiter des Kontrollbüros im Arsenal, wo er den Parteivorstand der SDAP von Waffenschieberei und Verrat von geheimen Waffenlagern des Schutzbundes informierte. Von 1929 bis 1932 leitete er die Exportabteilung einer Wiener Maschinenfabrik. Er war Mitglied der SDAP 1910-1920 und 1929-1934, Mitglied der KPÖ 1920/21 und wieder ab 1934. Eine ehrenamtliche Funktion Brülls war die des zweiten Vorsitzenden des Bundes der Industrieangestellten Österreichs. Seit einem Autounfall 1932 bezog Brüll eine Invalidenrente und laborierte jahrelang an seinen Verletzungen (Halswirbelbruch, Kopfverletzungen). Zwischen 1924 und 1933 war Josef Brüll sechsmal in der Sowjetunion, viermal dienstlich und zweimal (1931 und 1933) in Gewerkschaftsangelegenheiten. Er war Mitarbeiter im Internationalen Komitee für Angestellte in der Profintern und führendes Mitglied der SDAP-Linken. Kurz vor dem 12. Februar 1934 organisierte er revolutionäre Betriebsräte in Wien. Obwohl nicht Mitglied des Schutzbundes, übernahm er im Februar 1934 die Leitung der Schutzbündler am Laaer Berg im 10. Wiener Gemeindebezirk, um die kämpfenden Gruppen in Simmering zu unterstützen. Vom Bezirkskommandanten des Schutzbundes und dem Bezirkssekretär der SDAP in Favoriten wurde die Truppe zum Aufgeben überredet. Am 15. Februar 1934 fuhr Brüll, getarnt als Angestellter seiner früheren Firma und ausgestattet mit Maschinenprospekten und Verkaufsverträgen, mit der Straßenbahn nach Pressburg (Bratislava) und passierte problemlos die Grenze. In den von der tschechischen Sozialdemokratie verwalteten Lagern organisierte Brüll die Reise der Schutzbündler in die UdSSR und war Leiter des ersten Schutzbundtransports nach Moskau im April 1934. Am 8. Oktober 1934 wurde Brüll vom österreichischen Staat ausgebürgert. 1937 nahm er die sowjetische Staatsbürgerschaft an. Er war Leitungsmitglied des Moskauer KPÖ-Kollektivs und arbeitete als Ingenieur in der Planungsabteilung im Stalin-Autowerk. Seine Frau Mathilde (Mädchenname Wenzel, geb. 18.08.1899) war gelernte Hutmacherin und arbeitete in Wien als Verkäuferin und Sekretärin in verschiedenen Firmen. Nach der Flucht ihres Mannes 1934 wurde ihre Wohnung polizeilich versperrt. Mathilde Brüll wurde mehrmals verhört. Im September 1934 fuhr sie nach Bratislava und reiste im Oktober 1934 nach Moskau weiter. Dort arbeitete sie zunächst in einem Antiquariat, dann in der Buchhandlung Международная книга (Internationales Buch), die 1936 liquidiert wurde. 1937-1939 war sie Nachtschwester im Kinderheim № 6, in dem ca. 120 österreichische Schutzbündlerkinder untergebracht waren. Nach der Verhaftung ihres Mannes (17. März 1938) wurde sie im November 1939 aus Moskau verbannt. Ihr Antrag auf die sowjetische Staatsbürgerschaft wurde abgelehnt. Mit Hilfe der MOPR erhielt sie eine Stelle als Fabriksarbeiterin in Egor'evsk in der Nähe von Moskau. Im Dezember 1945 kehrte Mathilde Brüll nach Wien zurück. Über ihren Mann erfuhr sie 1938 in Moskau, dass er zu zehn Jahren Lagerhaft und Korrespondenzverbot verurteilt worden war – das war in der NKVD-Praxis die übliche Auskunft über Personen, die zum Tod durch Erschießen verurteilt und hingerichtet worden waren. Mathilde Brüll ließ ihren Mann 1951 durch ein Wiener Gericht für tot erklären. Die Kaderüberprüfungskommission der Komintern empfahl 1937, dass Josef Brüll in der Sowjetunion bleiben solle, vor allem wegen seiner gesundheitlichen Probleme und der aktiven Rolle im politischen Leben der Moskauer Schutzbündler. Obwohl er Mitte Mai 1938 wegen Spionage zum Tode verurteilt und am 28. Mai 1938 hingerichtet worden war, wurde Brüll bei der Kaderüberprüfung des Jahres 1940 positiv bewertet, eine parteioffizielle Intervention erfolgte indes nicht. Bereits 1947 schickten die österreichischen Gewerkschaftsfunktionäre Friedrich Hillegeist und Otto Horn ein Memorandum über die Verdienste von Josef Brüll nach Moskau, das ignoriert wurde. Erst 1955 richtete die KPÖ (Koplenig und Fürnberg) ein Schreiben betreffend das Schicksal von Josef Brüll nach Moskau, weil ein Heimkehrer behauptet hatte, Brüll sei am Leben und würde in Grube 7 in Vorkuta seine Lagerstrafe abbüßen. Die KPÖ machte ihre Zustimmung zu seiner Rückkehr von den politischen Ansichten Brülls abhängig ("Im gegenteiligen Fall würde er uns schaden"). Die Antwort aus dem sowjetischen Innenministerium an das ZK der KPdSU machte jedoch klar, dass Brüll nie in Vorkuta war. Im Jänner 1956 wurde eine gefälschte Todesurkunde ausgestellt (wonach Brüll am 25. November 1938 an einer Lungenentzündung gestorben sei) und neun Monate später den Familienangehörigen in Wien übergeben. Mathilde Brüll schickte im Oktober 1958 ein Rehabilitierungsansuchen über die KPÖ nach Moskau. Bald erging die knappe Antwort über das ZK der KPdSU an die KPÖ nach Wien, dass das Urteil gegen Brüll vom 17. Mai 1938 "aufgehoben und die Strafverfolgung wegen Nichtvorhandensein eines verbrecherischen Tatbestandes eingestellt wurde". Mathilde Brüll strebte auch die Rückgabe des bei der Verhaftung beschlagnahmten Privatbesitzes (Fotoapparat, Schreibmaschine, zwei Goldringe, Staatsanleihen im Wert von 1650 Rubel und ein Sparbuch) an, erhielt jedoch im Oktober 1959 lediglich den Wert von 37 Rubel ausbezahlt. Mathilde Brüll arbeitete nach der Rückkehr in der KPÖ-Buchhandlung Internationales Buch in Wien, sie starb 1964. Quelle: RGASPI, GARF, Familie, stalin.memo.ru, DÖW Anmerkung:
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