Österreichische Stalin-Opfer (bis 1945)
Franz Koritschoner © Foto: DÖW |
Name: Koritschoner Franz
Name russisch: Коричонер Франц Альфредович Geboren: 23.02.1892, Wien Beruf: Bankangestellter, Parteifunktionär Letzter Wohnort in Österreich: Wien Ankunft in Russland/Sowjetunion: 1928 Wohnorte in der Sowjetunion: Moskau, Char'kov, Kiev Verhaftet: 27.03.1936, Char'kov Anklage: antisowjetische Agitation Urteil: 29.05.1937, Sonderkollegium des Gerichts des Gebietes Kiev, 8 Jahre Haft; 5.10.1940, Oberstes Gericht der UdSSR, Ausweisung Gestorben: 09.06.1941, Auschwitz Rehabilitiert: 16.05.1991, Staatsanwaltschaft der UdSSR Emigrationsmotiv: KP-Emigration Schicksal: an Nazi-Deutschland ausgeliefert Kurzbiografie: Franz Koritschoner wurde 1892 in Wien geboren. Er besuchte eine Handelsakademie und studierte eine Zeitlang Rechtswissenschaften. Sein Großvater war ein Mitbegründer der Länderbank, Franz Koritschoner war bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs Direktor einer Länderbankfiliale. Sein Onkel war der bekannte Ökonom Rudolf Hilferding. Schon seit 1909 in der sozialistischen Jugend tätig, stand Koritschoner in Opposition zum Vorstand der SDAP, weil diese während des Ersten Weltkrieges die Kriegspolitik unterstützte. Ab 1909 diente er in der k.u.k. Armee, bis er 1912 in die Reserve versetzt wurde. 1911 lernte er in Wien Bucharin kennen. Koritschoner korrespondierte mit Lenin und traf 1916 in der Schweiz mit ihm persönlich zusammen. Im Jännerstreik 1918 spielte Koritschoner eine führende Rolle, wurde verhaftet und erst kurz vor dem Zusammenbruch der Monarchie freigelassen. Im November 1918 wurde er bei einer Demonstration in Wien schwer verwundet. Mit einer kleinen Gruppe von Linksradikalen trat Koritschoner kurze Zeit nach ihrer Gründung der KPÖ bei und gehörte von 1918 bis 1924 dem Zentralkomitee an, war Mitglied des Exekutivkomitees der Komintern (EKKI) 1921-1923. In Zusammenarbeit mit Nadia Surowzowa (Надежда Суровцева-Олицкая) übersetzte er Werke Lenins, zeitweilig war er Redakteur der Roten Fahne. Vorübergehend gehörte er der Tomann-Fraktion der KPÖ an, die er später bekämpfte. 1928 wurde er von der KPÖ nach Russland entsandt, wahrscheinlich in der Absicht, die Linksopposition in der Partei zu schwächen. Nach einer anderen Version wurde er von Bucharin zur Mitarbeit in der Roten Gewerkschafts-Internationale (RGI, Профинтерн, eigentlich Красный интернационал профсоюзов) geholt. Koritschoner arbeitete bis 1935 als Referent im Apparat der RGI und Lehrer an der Internationalen Leninschule, wechselte dann in das Auslandsbüro der Gewerkschaften in Char'kov, wo die Betreuung von Ausländern zu seinen Aufgaben gehörte. Ab 1930 gehörte er der VKP (b) an, bis er am 1. September 1936 als "Partei- und Volksfeind" aus der Partei ausgeschlossen wurde. Koritschoner reiste regelmäßig nach Österreich, um seine kleine Pension nicht zu verlieren, die den einzigen Unterhalt seiner Mutter darstellte. Zur Zeit seiner Verhaftung am 27. März 1936 war er bei der Zensurstelle Glavlit (Главное управление по делам литературы и издательств - Hauptverwaltung für Literatur und Verlagswesen) in Kiev beschäftigt. Er war der erste prominente KPÖ-Funktionär, der vom NKVD verhaftet wurde. Die Anklageschrift vom 7. September 1936 forderte für Koritschoner und seinen mitangeklagten Arbeitskollegen aus dem Glavlit Sergej Pavlovič Mitrofanov (geboren 1902, eigentlicher Name Franz Wangmüller, Mitglied der jugoslawischen KP seit 1920) eine Strafe von je fünf Jahren Lagerhaft wegen terroristischer Akte und Mitgliedschaft in einer konterrevolutionären Organisation. Am 5. März 1937 wurde die Anklage auf antisowjetische Agitation geändert. Am 29. Mai 1937 verurteilte die Sonderberatung OSO Koritschoner wegen antisowjetischer Agitation zu acht Jahren Freiheitsstrafe. Bereits am nächsten Tag legte Koritschoner Berufung gegen das Urteil ein, das tatsächlich am 5. Oktober 1940 vom Obersten Gericht der UdSSR aufgehoben und durch Landesverweisung ersetzt wurde. Koritschoner wurde nach Angaben des sowjetischen Innenministeriums vom 19. Juli 1956 am 16. Oktober 1940 bei Brest den deutschen Behörden übergeben, während er nach KPÖ-Angaben erst Anfang April 1941 bei Lublin an die Gestapo übergeben wurde. Für diese Version spricht, dass Koritschoner am 17. April 1941 von der Gestapo Wien erkennungsdienstlich behandelt wurde. Er kam dann als Sonderhäftling in das Polizeigefangenenhaus Wien, später ins Landesgericht und zeitweise ins Inquisitenspital. Am 7. Juni 1941 wurde Franz Koritschoner ins KZ Auschwitz überstellt, wo er am 9. Juni 1941 ermordet wurde. Quelle: RGASPI, ÖStA, DÖW, http://hw.oeaw.ac.at/oebl_4/128.pdf Anmerkung: S. auch Emily Rosdolsky: Franz Koritschoner. In: Memorial. Österreichische Stalin-Opfer.- Wien (Junius) 1990, S. 69-78; Lisl Rizy/Willi Weinert: Österreichische Remigration aus der Sowjetunion. Ein Beitrag zur Opferdiskussion.- Wien 2009. S. 38-40
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