Österreichische Stalin-Opfer (bis 1945)
Name: Lobkowitz Wilhelm
Name russisch: Лобковиц Вильгельм Вильгельмович Geboren: 03.11.1893, Friedek (Österreichisch-Schlesien) Beruf: Berufsoffizier Ankunft in Russland/Sowjetunion: 1921 Wohnorte in der Sowjetunion: Petrograd, Moskau Verhaftet: 03.10.1937, Moskau Anklage: Spionage für Deutschland Urteil: 24.01.1938, Dvojka, Tod durch Erschießen Gestorben: 05.02.1938, Butovo Rehabilitiert: 29.02.1960, Militärtribunal des Moskauer Wehrkreises Emigrationsmotiv: andere Schicksal: erschossen Kurzbiografie: Die Familie Lobkowicz (Schreibung in der k.u.k. Monarchie: Lobkowitz) ist eines der ältesten Geschlechter des böhmischen Hochadels. Wilhelm Lobkowitz, geboren 1893 in der mährisch-schlesischen Grenzstadt Friedek (heute Frýdek-Místek), stammte aus der Raudnitzer Linie. Sein Vater war Hauptmann in der k.u.k. Armee und starb 1919 im Ruhestand. Seine Mutter stammte aus einer deutschen Juristenfamilie, sie starb 1930 in Düsseldorf. Mit ihr war Wilhelm Lobkowitz bis zu ihrem Tod in Kontakt. Lobkowitz besuchte ein Gymnasium in Friedek bis 1909, dann eine Realschule in Mährisch Weißkirchen (Hranice) bis 1909, absolvierte schließlich 1914 die Theresianische Militärakademie in Wiener Neustadt. Sogleich zum Zugsführer eines Infanterieregiments auf dem polnischen Kriegsschauplatz ernannt, wurde er schnell zum Rottenführer befördert und war ab Mai 1915 Oberleutnant und Bataillonskommandant. Nach verschiedenen Schulungen für Generalstabsoffiziere der deutschen Armee kam er an der rumänischen und italienischen Front zum Einsatz, wobei er zwischendurch auch in der deutschen Armee diente. Am 28. Dezember 1918 wurde er demobilisiert und zog sich in seine Heimatstadt Friedek zurück. Er ließ sich dann im März 1919 von der galizisch-ukrainischen Armee (der Westukrainischen Volksrepublik unter Jevhen Petruševyč) anwerben, wo er es bis zum Major und Chef des Stabes brachte. Als seine Einheit in die Gefangenschaft der Roten Armee geriet, lief sie offenkundig geschlossen zum Feind über. Lobkowitz diente nach seinen Angaben ab 1. Jänner 1920 als Stabschef einer Brigade der Roten Armee. Laut Verhörprotokoll vom 7. Oktober 1937 lief er am 20. Mai 1920 mit seiner Brigade zu den Polen über - er hatte offensichtlich nicht erwartet, dort festgenommen zu werden. Er verbrachte die Zeit bis Mitte Juni im Gefängnis in Lemberg (Lwów), anschließend kam er in ein Lager bei Tuchel (Tuchola), aus dem er Mitte November 1920 flüchtete, weil er beschuldigt wurde, "ein roter General" zu sein. Über Berlin gelangte er nach Reichenberg (Liberec), wo ein Internierungslager der ukrainischen Nationalarmee bestand. Im März 1921 reiste er mit Papieren eines kriegsgefangenen Wolgadeutschen in die Sowjetunion, wo ihn der Volkskommissar Vladimir Antonov-Ovsienko wieder in die Rote Armee aufnahm. Kurze Zeit war Lobkowitz als Lehrer für Taktik an einer Kriegsschule für Internationalisten in Petrograd tätig. Mit Hilfe des im Geheimdienst tätigen Freundes aus der Realschulzeit in Mährisch-Weißkirchen, Hans Herbert Dima, konnte er in den Geheimdienst eintreten, aus dem er 1924 im Zuge einer Reorganisation entlassen wurde. Unterstützt von Jan Karlovič Berzin, dem Leiter des militärischen Geheimdienstes, konnte er dann die Leitung einer Militärschule übernehmen. 1926 wurde Lobkowitz Sekretär der paramilitärischen Organisation ОСОАВИАХИМ (Общество содействия обороне, авиационному и химическому строительству - Gesellschaft zur Förderung der Verteidigung, des Flugwesens und der Chemie). Nach einigen Monaten wurde er als militärischer Leiter an zivile Hochschulen versetzt, wo er bis 1932 tätig war. Anschließend war er als Inspektor eines Infanterie-Instituts tätig, wurde dann als Instrukteur für Taktik in das Institut für Schieß- und Taktik-Ausbildung der Roten Armee übernommen. Nach der Reorganisation dieses Institutes 1935 verblieb er bis zur Entlassung am 15. Dezember 1936 im Nachfolgeinstitut Выстрел (Schuss). Danach war er bis zur Verhaftung am 3. Oktober 1937 arbeitslos. Wegen Spionage für Deutschland wurde Lobkowitz am 24. Jänner 1938 zum Tode verurteilt und am 5. Februar 1938 in Butovo bei Moskau erschossen. Seine Frau Anna Nikolaevna Bondareva erhielt die übliche Auskunft - ihr Mann sei zu zehn Jahren Lagerhaft ohne Recht auf Korrespondenz verurteilt worden. Trotz seiner militärischen Laufbahn wurde Lobkowitz erst am 1. August 1937 sowjetischer Staatsbürger. Er hatte zwei Töchter aus zwei Ehen. Quelle: GARF, lists.memo.ru Anmerkung: S. auch den Beitrag von Josef Vogl: Wilhelm Lobkowitz. In: Barry McLoughlin/Josef Vogl: ... Ein Paragraf wird sich finden. Gedenkbuch der österreichischen Stalin-Opfer (bis 1945).- Wien 2013, S. 120-121.
|