Als Struktur unseres Verhältnisses zu dem, was ein filmisches Bild zeigt, entspricht Suspense ziemlich genau der Art, wie das Präventivrecht, die polizeiliche Erforschung sozialer Alltage und das in LDC genannte Konzept "frei flottierender Schuld" unseren Blick in die Welt anleitet. Ausgehend von Hitchcocks Reinform des Suspense – Mehrwissen der Zuschauer_innen im Verhältnis zu ahnungslosen Filmfiguren – schrieb der Filmtheoretiker und Filmemacher Pascal Bonitzer in etwa dies: Stellen wir uns eine typische Filmepisode aus dem frühen Kino vor – ein Kindermädchen samt Baby im Kinderwagen flirtet im Park mit einem Leutnant; ein Anblick plätschernden bis pulsierenden sozialen Lebens, wie er um 1900 im Kino häufig ist. Stellen wir uns nun vor, wir wüssten, dass das Kindermädchen das Baby entführt hat oder dies beabsichtigt; dann wird sich (worauf auch Hitchcock setzte) der Suspense-typische Effekt einstellen, dass wir dem Leutnant im Bild zurufen, den Ahnungslosen alarmieren wollen. Vor allem aber ist derselbe unschuldige Anblick vom Turteln im Park nun vergiftet, seiner vitalistischen Anmutung beraubt, ins Register der akut drohenden Endlichkeit und unterstellten Schuld gekippt. In etwa so schaut der nach Subjekten einer frei flottierenden Schuld forschende Blick auf das soziale Leben, sieht in jeder zweiten Regung einen "Schläfer" und suspendiert so deren Beliebigkeit: Ihr So-Sein könnte ein (sich künftig offenbart habendes) Ganz-anders-Sein verbergen. | |||
© Drehli Robnik, 2012 | |||
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