Guillain-Barré-Syndrom

Akute Polyneuritis aufgrund einer Autoimmunreaktion gegen peripheres Nervengewebe

Mortalität ~5% (==> beatmungspflichtige Patienten)

In 40% geht den Lähmungen ein Infekt voraus:

Pathogenese:

IgM-AK gegen Myelin oder bestimmte Gangliosid-Subgruppen (GM1 bis 3). T-lymphozytäre Infiltration des perineuralen Gewebes.
Zur Markscheidenschädigung kommt es v.a durch chemotaktisch angelockte Makrophagen.
Die demyelinisierten Axone sind schließlich gegenüber einer Schädigung durch Makrophagenenzyme verwundbarer (vgl. Pathogenese der MS), was bei schwerem Verlauf auch zur sekundären Axonschädigung führt.

Symptomatik:

Akute oder subakute Entwicklung innerhalb einer Woche, 50% nach 2 Wochen, 80% nach 3 Wochen, 90% nach 4 Wochen. Der Rückgang erfolgt etwa 2-4 Wochen nach einer Plateauphase und dauert ev. Monate. Protrahierte Verläufe sind möglich.

Motorische Lähmungen:

Sensible Störungen: Reizerscheinungen, Schmerzen der Muskulatur

autonome Störungen:

Wechsel von Über- und Unterfunktion in Sympaticus und Parasympathicus:

  Sympaticus Parasympathicus

Vermehrte Aktivität

  • anfallsweise hypertone Blutdruckentgleisungen
  • paroxysmale Tachykardien mit Extrasystolen
  • peiphere Vasokonstriktion
  • Schwitzen
  • paroxysmale Bradycardien
  • Sekundenherztod
Verminderte Aktivität
  • Bradycardien (kein Ansprechen auf Atropin)
  • verzögerte Reflextachycardie bei Orthostase
  • Blutdruckabfall bei Lagewechsel
  • abnorme Empfindlichkeit gegen geringen Volumenmangel

Der Verlauf kann perakut sein: morgens neurologisch unauffällig, Lähmungen am Nachmittag, bereits in der Nacht intubations- und beatmungpflichtig. (Landy-Paralyse)

Diagnostik:

Gegen die Diagnose sprechen asymmetrische Lähmungen, Pleozytose > 50/3 Zellen, scharf abgegrenzte oder rein sensible PNP.

Therapie:

Sonderformen:

Chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP)

Verlauf mit häufig wechselnden Verbesserungen und Rückfällen. Seltener vegetative Begleiterscheinungen.

Therapie mit Kortikosteroiden, Azathioprin, Cyclophosphamid

Miller-Fisher-Syndrom

Keine Paresen, nur Augenmuskellähmungen, Ataxie, Areflexie, Parästhesien an Händen und Füßen

DD: Blickerstaff-Enzephalitis

Polyneuritis cranialis

Symmetrische Ausfälle der kaudalen Hirnnerven, keine Lähmung der Extremitäten. Ev. Areflexie.

DD: Neuroborreliose, Schädelbasistumoren, Meningeose, Botulismus

Radiculitis sacralis (Elsberg-Syndrom)

Dysästhesien und Parästhesien im Versorgungsgebiet der sacralen Nervenwurzeln. Bei lumbalem Befall auch motorische Lähmungen. Häufig Blasenstörung.

Vorkommen auch bei direkter Infektion mit HSV-2 und ZMV (Behandlung mit Aciclovir bzw. Ganciclovir)

Multifokale, motorische Neuropathie

Rein motorische Symptomatik, asymmetrische Muskelschwäche, Areflexie.
Wichtige DD zur amyotrophischen Lateralsklerose (ALS)

Vegetative Neuropathie

Nur das vegetative Nervensystem ist betroffen

Serogenetische Polyneuritis

Allergische Polyneuritis nach Injektion von Tetanus- und Diphtherie-Antitoxin, aber auch nach Schutzimpfungen gegen Typhus, Paratyphus oder FSME.

Nach etwa 7-14 Tagen tritt eine Serumkrankheit mit Fieber, Gelenksschwellung, juckendem Exanthem und manchmal auch nephritischen Harnsymptomen auf. Tage nach dem Einsetzen der Serumkrankheit entwickelt sich eine motorische Polyneuritis mit heftigsten, reißen Schmerzen in der Schulter-Armregion (asymmetrisch und proximal lokalisiert). Selten kommen generalisierte Lähmungen vor. Die Rückbildung dauert Monate.