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Österreichische Stalin-Opfer (bis 1945)


Franz Schillinger
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Memorial Deutschland
Name: Schillinger Franz
Name russisch: Шиллингер Франц Францевич
Geboren: 26.09.1874, Wola Batorska (Kreis Niepołomice, Galizien)
Beruf: Naturforscher
Letzter Wohnort in Österreich: Aggsbach (NÖ)
Ankunft in Russland/Sowjetunion: 1887
Wohnorte in der Sowjetunion: Moskau, Nižnij Novgorod, Krasnojarsk
Verhaftet: 14.04.1938, Moskau
Anklage: Spionage für Deutschland
Urteil: 02.06.1938, Sonderberatung (OSO), 8 Jahre Lagerhaft
Gestorben: 04.05.1943, Gulag
Rehabilitiert: 05.04.1956, Militärtribunal des Moskauer Wehrkreises
Emigrationsmotiv: andere
Schicksal: im Lager umgekommen
Kurzbiografie: Franz Schillinger entstammte einer deutschsprachigen katholischen Familie, die in dem kleinen Ort Wola Batorska in Galizien, Kreis Niepołomice (etwa 30 km östlich von Krakau), lebte. Der Vater war in einem Forstbetrieb tätig, er übersiedelte 1887 mit der Familie nach Russland, in das Gouvernement Bessarabien. Franz Schillinger jun. arbeitete von 1887 bis 1890 als Forstpraktikant in Bessarabien, machte anschließend eine mehrjährige forstwirtschaftliche Ausbildung in der Kartause Aggsbach (Aggsbach Dorf in der Wachau, Niederösterreich) und arbeitete in der Folge als Förster und Jagdaufseher in Bessarabien und Podolien, später als Tierpräparator und Hersteller von naturkundlichen Unterrichtsmaterialien in Nižnij Novgorod (1904-1908). 1908-1914 nahm er an großen Expeditionen nach Sibirien, in die Mongolei und nach Tibet teil. Das Jahr 1911 verbrachte er großteils in Wien, hier hielt er in der Wiener Urania Vorträge über seine ersten Expeditionen. Bei Kriegsausbruch 1914 wurde er als österreichischer Spion verhaftet, aber nach wenigen Tagen wieder freigelassen. Nach der Oktoberrevolution wurde er zum wichtigsten Proponenten für Naturschutz und die Einrichtung von Schutzgebieten in der Sowjetunion, wobei ihm seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter (1918-1924) und als Leiter (1924-1932) der Abteilung für Naturschutz des Volkskommissariats für Bildungswesen zu Gute kam. 1933-1935 war er Oberinspektor für Naturschutz beim Zentralen Exekutivkomitee der RSFSR. Führend beteiligt war er an der Schaffung bzw. Erweiterung des Pečora-Ilyč-Naturreservats (Печоро-Илычский заповедник) in der Republik Komi im Nordural, des Altaj-Naturreservats, der Reservate von Alma-Ata, der Krim, am Baikalsee und vielen anderen. Sein Einsatz für die Natur brachte ihm nicht nur Freunde ein. Selbst lächerlich-unsinnige Verleumdungen (z.B. dass er ein illegitimer Sohn des österreichischen Kaisers Franz Joseph sei) konnten damals gefährlich werden. 1935, im gleichen Jahr, in dem er die sowjetische Staatsbürgerschaft erhalten hatte, wurde er aus der Partei ausgeschlossen und entlassen, er erhielt lediglich eine kleine Pension, die nicht zum Leben reichte. Im April 1938, kurz vor einer Expedition nach Jakutien, wurde er verhaftet und der Spionage für Deutschland beschuldigt, wenig später zu acht Jahren Lagerhaft verurteilt. Anfangs in Lagern bei Vladivostok und Mariinsk (Westsibirien), wurde er dann in das Nordural-Lager Sos'va (Sverdlovskaja obl.) gebracht, wo er im Mai 1943 nach langer Krankheit starb. 1956 wurde er rehabilitiert. Schillingers Privatleben war von Tragödien gekennzeichnet: seine erste Frau starb bei der Geburt seines ersten Sohnes. Seine Tochter Maria starb mit 19 Jahren an Meningitis. Sein jüngerer Sohn Felix, der ihn auf zahlreichen Expeditionen begleitet hatte, verunglückte als Pilot bei einem Flugzeugabsturz. Seine Tochter, die Schauspielerin Adel' (Adele) Francevna Šillinger (geb. 1908) und seine zweite Frau Rozalija Iosifovna Lozinskaja wurden 1941 verhaftet. Adel' Šillinger wurde 1946 entlassen und konnte sich dann in Moskau niederlassen. Rozalija Lozinskaja-Šillinger starb 1942 im Untersuchungsgefängnis in Orenburg. Schillinger verfasste neben wissenschaftlichen Artikeln auch mehrere Bücher und hielt zahlreiche Vorträge.
2008 war ihm eine Ausstellung im Naturkundemuseum von Ekaterinburg gewidmet.
Quelle: gulag.memorial.de, www.ecoethics.ru, GARF, Österreichisches Volkshochschularchiv etc.
Anmerkung: S. auch den Beitrag von Josef Vogl: Franz Schillinger, der russische Grzimek. In: Barry McLoughlin/Josef Vogl: ... Ein Paragraf wird sich finden. Gedenkbuch der österreichischen Stalin-Opfer (bis 1945).- Wien 2013, S. 111-114.