Affektive Pyschosen
ICD-10: F30-F39
= "manisch-depressive Psychosen" = "Zyklothymie"
Erkrankungsrisiko (Lebenszeitrisiko) etwas weniger als 1%, Erkrankungsbeginn
meist im 3.-4. Lebensjahrzehnt.
2. Häufigkeitsgipfel im 50.-60. LJ.
"Involutions- oder Spätdepression": > 45. LJ.
Ätiologie:
- Genetische Disposition (bei bipolaren mehr als bei monopolaren affektiven
Psychosen)
- geschlechtsspezifischer Vulnerabilitätsfaktor bei depressiven affektiven
Psychosen (m:w = 1:2), bei bipolaren etwa 1:1
- "life-events" als auslösender oder auch ursächlicher Faktor
- Persönlichkeitstypus (prämorbide Persönlichkeit): Typus melancholicus /
Typus manicus
Morphologisch / biochemische Befunde:
- Depression: Verminderte Ansprechbarkeit serotoninerger und
noradrenerger Neuronen
- Manie: erhöhte Aktivität katecholaminerger Neuronen
- Störung der Zirkadianrhythmik (~ Cortisolproduktion)
- Gedrückte Grundstimmung (Freudlosigkeit, Schwermut, Hoffungslosigkeit).
Meist gute Unterscheidung von normaler Traurigkeit.
- Antriebsarmut, -hemmung
- Leibnähe der Verstimmung (Erschöpftheit, Energielosigkeit,
Appetitverlust, Libidomangel, Schlafstörungen, Druckgefühl in Brust, Hals,
Kopf, Bauch), oft in Abhängigkeit von der Tageszeit (oft morgens)
- Inhaltliche Denkstörungen (Grübeln) ==> synthyme
Wahnideen
(Schuldwahn, Verarmungswahn, hypochondrischer Wahn)
- Suizidalität
Je nach vorherrschendem Symptom unterscheidet man:
- Gehemmte Depression (Antriebshemmung)
- Agitierte Depression (Agitiertheit)
- Hypochondrische Depression
- Paranoid gefärbte Depression
- Entfremdungsdepression
- Anankastische Depression
- Larvierte Depression (vielfältige Organbeschwerden verschleiern das Bild
der Depression)
- Spätdepression (Involutionsdepression - depressive Pseudodemenz)
Depressive Episode: Diagnoseschema nach ICD-10:
Symptome:
- Depressive Stimmung in einem für den Patienten eindeutig abnormen
Ausmaß, fast täglich für die meiste Zeit des Tages, weitgehend
unbeeinflusst durch äußere Umstände.
- Deutlicher Verlust von Interesse oder Freude an normalerweise
angenehmen Aktivitäten
- Verminderung von Antrieb und Aktivität. Erhöhte Ermüdbarkeit.
- Verlust von Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl.
- Unbegründete Selbstvorwürfe oder übertriebene und unangemessene
Schuldgefühle.
- Todeswünsche, Suizidgedanken oder suizidales Verhalten
- Anzeichen für Denk- und Konzentrationsstörungen
- Entschlusslosigkeit oder Unschlüssigkeit
- Psychomotorische Störung mit Agitiertheit oder Hemmung
- Schlafstörungen, Früherwachen
- Appetitstörung oder -verlust mit entspr. Gewichtsveränderung
für mind. 2 Wochen
Differenzierung nach Schweregraden:
- Leichte depressive Episode:
- Einige der Symptome müssen selber und von anderen bemerkt
werden.
- Mittelgradige depressive Episode:
- trotz obiger Symptome können die meisten Patienten ihrer
Berufstätigkeit, den familiären und sozialen Kontakten
nachkommen.
- Schwere depressive Episode:
- Die Symptome verursachen eine deutliche Behinderung , die oft
zum Abbruch der familiären und sozialen Kontakte führen. Ev.
kann das 2-Wochen-Kriterium auch unterschritten werden.
Weitere Typisierung nach dem Vorliegen somatischer und psychotischer
Symptome (Wahn, Halluzination, Stupor) |
Differentialdiagnose:
- Bei zusätzlichen phobischen oder zwanghaften Symptomen sollten die
Symptome diagnostischen Vorrang haben, die zuerst erscheinen.
- Organische Depressionen
- Pharmaka und Gifte
- Metabolische und endokrine Störungen
- Infektionskrankheiten
- Degenerative Erkrankungen
- Neoplasmen
- Sonstiges
- Sonstige depressive Störungen
Meist sehr typisch:
- Die Stimmungslage ist (ohne Anlass) nach oben verschoben (Euphorie,
heiter, sorglos)
- Auch gereizte Grundstimmung möglich
- außerordentlicher Aktivitätsdrang (Antriebssteigerung)
- Rededrang (Logorrhoe)
- sprunghafter Gedankengang (Ideenflucht)
- Vermindertes Schlafbedürfnis
- Selbstüberschätzung bis Größenwahn (Megalomanie)
- Verlust von üblichen sozialen Hemmungen
- Am Höhepunkt einer Manie können sogar schizophrenieverdächtige
Halluzinationen und Wahnerlebnisse auftreten
Diagnostische Leitlinien der Manischen Episode nach ICD-10:
- Die veränderte Stimmung sollte von vermehrtem Antrieb und mehreren
der in der obigen Beschreibung genannten Symptome, besonders
Rededrang, vermindertes Schlafbedürfnis, Größenideen,
übertriebenem Optimismus, begleitet sein.
- Die Episode sollte wenigstens eine Woche dauern dun sollte schwer
genug sein, um die berufliche und soziale Funktionsfähigkeit
mehr oder weniger vollständig zu unterbrechen.
- Zur weiteren Subtypisierungwird hinsichtlich des
Vorliegens/Nichtvorliegens psychotischer Symptome differenziert
|
Diffentialdiagnose:
- Zyklothyme Persönlichkeit
- Schizophrene/schizoaffektive Psychosen
- Organische oder reaktive Erscheinungsbilder ähnlicher Art
Verlauf:
Krankheitsverlauf in Phasen, nach jeder Manifestation üblicherweise
Vollremission mit wiederherstellung der ursprünglichen Persönlichkeit.
Bipolare Verlaufsform (35% aller affektiven Psychosen):
depressive und manische Phasen kommen vor, meist überwiegen aber die
depressiven Episoden. Dauer der Phasen unterschiedlich, zwischen 3-9 Monate,
meist Manien < Depression. Im höheren Lebensalter mehr depressive Phasen.
Unipolare Depression (ca. 60% aller affektiven Psychosen)
Rezidivierende depressive Störung mit wiederholten Episoden, jedoch keine
Phasen, die das Kriterium der Manie erfüllen. Nach antidepressiver Behandlung
können vorübergehend sog. hypomanische Episoden auftreten
Therapie:
1. Antidepressiva:
Bei bipolaren affektiven Psychosen empfehlen sich die selektiven
Serotonin-Reuptake-Hemmer (SSRI), das sie im Ggs. zu trizyklischen
Antidepressiva seltener den Umschwung in die Manie induzieren.
Ansonsten:
- trizyklische Antidepressiva (meist 3 x 50mg p.d.): Amitriptylin (Saroten
®), Imipramin (Tofranil ®)
- 2. Generation: Mianserin (Tolvin ®), Maprotilin (Ludiomil ®)
- SSRI: Fluvoxamin (Fevarin ®), Fluoxetin (Fluctin ®),
Paroxetin (Seroxat ®)
- SNRI: Reboxetin (Edronax ®)
- Kombinierte NA-S-RI: Mirtazapin (Remergil ®), Venlafaxin (Trevilor
®)
Wirkungseintritt erst nach Tagen bis zu 2 Wochen. Erhaltungstherapie
über mind. 6 Monate.
Bei Manien:
2. Schlafentzug:
Pat. wird nach Mitternacht geweckt, muss also die 2. Nachthälfte und den
ganzen Folgetag wach bleiben. (Wirkung auf die Cirkadiane Rhythmik)
3. Elektrokrampftherapie
Bei therapieresistenter Suizidalität im Rahmen endogener Depressionen
4. Psychotherapie:
supportiv (Mut machen, die Bürde der Erkrankung zu tragen)
5. Soziotherapie
zur Reduktion der Minussymptomatik: Gruppendynamik, Arbeits- und
Beschäftigungstherapie, Strukturierung des Tagesablaufs