Rückenmarkssyndrome

Beurteilung:

  1. Welcher Teil des Rückenmarks ist im Querschnitt geschädigt?
  2. Auf welcher Höhe? (Längsausdehnung)
  3. Ein Herd oder mehrere?

1. Querschnitt

Aus den anatomischen Verhältnissen lassen sich 4 verschiedene Formen einer Querschnittsläsion des Rückenmarks ableiten:

Querschnittslähmung

Symptomatik:

spinaler Schock - "Diaschisis"

Bei plötzlichem Eintreten der Querschnittslähmung (Wirbelkörpereinbruch, akute Minderdurchblutung des Rückenmarks)

Keine Rückschlüsse auf die Schwere der Schädigung und die Prognose. Bei länger bestehender Läsion (Wochen) mit schlaffer Lähmung wird die Parese häufig spastisch (ungünstig für Restitution)

Spastische Lähmung

Bei langsamer Entwicklung des Querschnittssyndroms, bildet sich bereits von Anfang an eine spastische Lähmung aus:

Spinale Automatismen: Ausbildung von abnormen Querverbindungen zwischen sensiblen/autonomen und motorischen Bahnen beider Seiten. Äußere Reize (Berührungen) oder innere Stimuli (z.B. Blasenfüllung) unterhalb der Läsion lösen durch diese Kurzschlüsse doppelseitige Beugesynergien (v.a. im Bereich der Arme) oder gekreuzte Beuge- und Strecksynergien (Beine) aus, manchmal sogar automatische Laufbewegungen der Beine (Verwechslung mit Willkürbewegungen!). Die Automatismen sind umso lebhafter, je höher die Läsion sitzt. Oft auch Urinabgang.

Brown-Séquard-Syndrom

Halbseitige Rückenmarksschädigung durch Verletzungen oder raumfordernde Prozesse.

Symptomatik:

Höhe und Schwere der Ausfälle stimmen oft nicht ganz überein: Die Grenze der (ispilateralen) motorischen Störung liegt oft höher als die Grenze der (kontralateralen) sensiblen Störung. Nach oben: hyperalgetische Übergangszone.

Häufig zusätzliche Symptome:

Zentrale Rückenmarksschädigung

Ursachen:

Symptomatik:

Hinterstrangläsion

Sensibilitätsstörungen

2. Höhenlokalisation

Die Definition erfolgt in Relation zum knöchernen Achsenskelett (segmentale Anordung des Rückenmarks).

Einfacher bei vollständiger Querschnittslähmung, jedoch diffizil bei geringeren Funktionsstörungen oder Strangsymptomen.

Exzentrische Lage der langen Bahnen:

In allen auf- oder absteigenden Tractus legen sich die Fasern für die höheren Segmente jeweils in Lamellen von innen her an die Fasern der tiefern Segmente an, wodurch letzte zur Rückenmarksperipherie gedrängt werden. D.h. die Fasern für die Arme verlaufen innen, die Fasern für die Beine verlaufen außen. Trifft eine Schädigung das RM von außen, sind daher zuerst die tieferen Segmente betroffen, bei zentraler Rückenmarksschädigung werden zuerst die höheren Segmente ausfallen.

Klinische Erfahrungsregel:

Bei hochsitzenden Läsionen (Halsmark, hohes Brustmark) ist die Gefahr von sekundären Komplikationen besonders groß: Harnwegsinfekt, Dekubitus, Sepsis, Pneumonie

Halsmarkläsion:

Durch Tumor, durch medialen Bandscheibenvorfall (sehr selten): 

Charakteristisch: Hohe Querschnittslähmung mit Tetraparese. Je nach Querschnitt ev. auch nur eine zentrale Beinlähmung.

Schädigung oberhalb von C4

Schädigung im Segment C4-Th2:

Schädigung der Segmente C8-Th2 Bei Schädigung des Vorderhorns oder der Vorderwurzeln kommt es zu peripheren (schlaffen) Lähmungen, die - je nach Höhe - die Schultermuskulatur und die proximalen Armmuskeln oder nur die kleinen Handmuskeln (unteres Halsmark) betreffen.

Brustmarkläsion:

Charakteristisch: Zentrale Paraparese (spastische Lähmung der Beine), Arme sind nicht gelähmt. In leichteren Fällen nur Steigerung der Eigenreflexe der Beine (Vgl. mit Armen)

Je nach Höhe Lähmung der Thorax-, Rücken- und Bauchmuskeln: Atemexkursionen und Hustenstoß schwach, seitlich ausladende Bauchdecken.

Ist der M. iliopsoas betroffen, kann sich der Pat aus dem Liegen nicht mehr aufrichten.

Bauchhautreflexe:

Strumpfhosenförmige Sensibilitätsstörung.

Lumbalmark:

Schwere Schädigung des RM unterhalb von LWK1 ==> periphere Lähmung der Beine (im Ggs. dazu sind zentrale Lähmungen fast immer im Brustmark lokalisiert!) Eine spastische (=zentrale) Lähmung kann also nur oberhalb des Lumbalkanals ihre Ursache haben!

Klinisch sind Läsionen im Lumbalmark von Läsionen der Cauda equina (Kaudasyndrom) praktisch nicht zu unterscheiden.

Kaudasyndrom:

Läsion des Conus medullaris: