Aus den anatomischen Verhältnissen lassen sich 4 verschiedene Formen einer Querschnittsläsion des Rückenmarks ableiten:
Meist deutliche obere Grenze, die die segmentale Höhe anzeigt. Darüber als Reizsymptom eine hyperalgetische Zone von 1-2 Segmenten Breite.
Bei plötzlichem Eintreten der Querschnittslähmung (Wirbelkörpereinbruch, akute Minderdurchblutung des Rückenmarks)
Komplette motorische Lähmung
schlaffer Muskeltonus
Eigenreflexe erloschen
Ev. schwierige Unterscheidung von einer akuten, peripheren Lähmung durch Wurzelschädigung (Polyneuroradikulitis)
bei Schädigung oberhalb von Th5 kann es durch zusätzlichen Ausfall der sympathischen Innervierung des Herzens zu Bradykardie u. Kontraktilitätsverminderung bis zum klinisch ausgeprägten hämodynamischen. Schock kommen.
Keine Rückschlüsse auf die Schwere der Schädigung und die Prognose. Bei länger bestehender Läsion (Wochen) mit schlaffer Lähmung wird die Parese häufig spastisch (ungünstig für Restitution)
Bei langsamer Entwicklung des Querschnittssyndroms, bildet sich bereits von Anfang an eine spastische Lähmung aus:
Spinale Automatismen: Ausbildung von abnormen Querverbindungen zwischen sensiblen/autonomen und motorischen Bahnen beider Seiten. Äußere Reize (Berührungen) oder innere Stimuli (z.B. Blasenfüllung) unterhalb der Läsion lösen durch diese Kurzschlüsse doppelseitige Beugesynergien (v.a. im Bereich der Arme) oder gekreuzte Beuge- und Strecksynergien (Beine) aus, manchmal sogar automatische Laufbewegungen der Beine (Verwechslung mit Willkürbewegungen!). Die Automatismen sind umso lebhafter, je höher die Läsion sitzt. Oft auch Urinabgang.
Halbseitige Rückenmarksschädigung durch Verletzungen oder raumfordernde Prozesse.
Symptomatik:
Auf der Seite der Läsion:
Zentrale Parese (Pyramidenseitenstrang)
Störung der Tiefensensibilität (Hinterstrangfasern)
Parese der vasokonstriktorischen Fasern (Seitenhorn des Brustmarks (ungekreuzt) ==> Grenzstrang)
Gegenseite:
Störung der Schmerz- und Temperaturempfindung, leichte Herabsetzung der Berührungsempfindlichkeit (Läsion der spinothalamischen Fasern nach der Kreuzung in der vorderen Kommissur)
Höhe und Schwere der Ausfälle stimmen oft nicht ganz überein: Die Grenze der (ispilateralen) motorischen Störung liegt oft höher als die Grenze der (kontralateralen) sensiblen Störung. Nach oben: hyperalgetische Übergangszone.
Häufig zusätzliche Symptome:
zentrale Paraparese oder Lähmung des ipsilateralen Beines
Bei Läsion Höhe C7/Th1 ipsilaterales Horner-Syndrom (DD gegen Wallenberg-Syndrom)
Ursachen:
Arterielle Durchblutungsstörungen (vordere Spinalarterie)
venöse Abflussstörungen
Entzündungsherde
Syringomyelie
intraspinale Tumoren
Symptomatik:
Auf Höhe der Läsion sind beide Vorderhörner betroffen, periphere Lähmung allerdings nur in Höhe der unteren zervikalen Segmente klinisch (nach 3 Wochen auch mittels EMG) nachweisbar.
Zentrale Lähmung (spastisch) unterhalb der Läsion.
Oft vor Beginn der spastischen Symptome: dissoziierte Gefühlsstörung (Unterbrechung der spinothalamischen Fasern in der vorderen Kommissur bzw. im Tractus spinothalamicus)
Hinterstränge meist nur gering betroffen ==> Berührungs- und Tiefensensibilität besser erhalten.
Trophische Störungen (Schädigung des Seitenhorns)
Durch exzentrische Lokalisation der langen Bahnen sind neurologische Ausfälle an der unteren Extremität seltener/weniger schwer als an den Armen und den oberen Rumpfpartien
Sensibilitätsstörungen
Die Definition erfolgt in Relation zum knöchernen Achsenskelett (segmentale Anordung des Rückenmarks).
Einfacher bei vollständiger Querschnittslähmung, jedoch diffizil bei geringeren Funktionsstörungen oder Strangsymptomen.
Exzentrische Lage der langen Bahnen:
In allen auf- oder absteigenden Tractus legen sich die Fasern für die höheren Segmente jeweils in Lamellen von innen her an die Fasern der tiefern Segmente an, wodurch letzte zur Rückenmarksperipherie gedrängt werden. D.h. die Fasern für die Arme verlaufen innen, die Fasern für die Beine verlaufen außen. Trifft eine Schädigung das RM von außen, sind daher zuerst die tieferen Segmente betroffen, bei zentraler Rückenmarksschädigung werden zuerst die höheren Segmente ausfallen.
Klinische Erfahrungsregel:
Bei hochsitzenden Läsionen (Halsmark, hohes Brustmark) ist die Gefahr von sekundären Komplikationen besonders groß: Harnwegsinfekt, Dekubitus, Sepsis, Pneumonie
Charakteristisch: Hohe Querschnittslähmung mit Tetraparese. Je nach Querschnitt ev. auch nur eine zentrale Beinlähmung.
Schädigung im Segment C4-Th2:
Charakteristisch: Zentrale Paraparese (spastische Lähmung der Beine), Arme sind nicht gelähmt. In leichteren Fällen nur Steigerung der Eigenreflexe der Beine (Vgl. mit Armen)
Je nach Höhe Lähmung der Thorax-, Rücken- und Bauchmuskeln: Atemexkursionen und Hustenstoß schwach, seitlich ausladende Bauchdecken.
Ist der M. iliopsoas betroffen, kann sich der Pat aus dem Liegen nicht mehr aufrichten.
Bauchhautreflexe:
Strumpfhosenförmige Sensibilitätsstörung.
Schwere Schädigung des RM unterhalb von LWK1 ==> periphere Lähmung der Beine (im Ggs. dazu sind zentrale Lähmungen fast immer im Brustmark lokalisiert!) Eine spastische (=zentrale) Lähmung kann also nur oberhalb des Lumbalkanals ihre Ursache haben!
Klinisch sind Läsionen im Lumbalmark von Läsionen der Cauda equina (Kaudasyndrom) praktisch nicht zu unterscheiden.