Die
heutige Burgruine Wildenstein
Wilhelm Götting
Aufnahmebericht über den Zustand im Frühjahr 1961
Steuergemeinde Kaltenbach, Blatt 6, Grundstück 79 und 243/1
Gemeinde Bad Ischl Gerichtsbezirk Bad Ischl
Bezirkshauptmannschaft Gmunden
Geländeform des Burgberges:
Talspornlage auf der Nordseite des Katringebirges 850 m2.
Die
Hochburg hat ein Flächenmaß von 1716 m2.
Die verbaute bzw. umbaute Gesamtfläche hat daher
ein Flächenmaß von 2566 m2.
Die Hochburg
Der Grundriß der Hochburg Wildenstein zeigt uns die Höhenritterburg
in jener klaren Form, wie sie zur Zeit der Hohenstaufenkaiser gerne
gebaut wurde. Zum Beispiel: Burgruine Hohenecken um 1160 in der Nähe
der Kaiserpfalz Kaiserslautern, Rheinpfalz oder Burgruine Gräfenstein
im Kreis Pirmasens um 1220, Rheinpfalz. Der Standort des Berchfrit entspricht
ganz der früheren Gepflogenheit, ihn erstens an eine erhöhte
Stelle zu setzen und zweitens ihn genau gegenüber dem Burghofeingang
zu errichten, um so die Burghoftür in direkter Sicht bestreichen
zu können.
Der Berchfrit von Wildenstein weist aber noch eine andere seltene und
hervorragende Wehrstellung auf, indem er in einer keilförmigen
Spitze den äußeren Burgring nach Westen hin abschließt.
In dieser Stellung ist er ein Vorläufer des Fünfeck- oder
Keilturmes, der sich aus der Schrägstellung des Vierkantturmess
entwickelt hat. Nach einer deutschen Burgenhistorie steht der erste
Turm dieser Art in der Kaiserpfalz der Stadt Eger in Böhmen.
Unter Karl dem Großen wurde in Aachen die erste Kaiserpfalz errichtet.
Dieser Bau gab die Richtlinie ab für viele kleine und große
Pfalzen, die in der Folge in deutschen Landen gebaut wurden. Die alte
Pfalzgruppe bestand immer aus einer Dreiheit, dem Palas, der Kapelle
und dem Wohnhaus; sie war nicht befestigt. Die Kaiserpfalz Eger lag
aber an der Ostgrenze des Reiches, und daher wurde hier die Pfalz durch
Wehrmauern und Turm gesichert. Erbauer war Kaiser Friedrich I., 1152
bis 1190.
Ohne eine geschichtliche Basis zu haben, kann an Hand der höchst
eigenwilligen und in Oberösterreich einmaligen Turmstellung vermutet
werden, daß der Berchfrit von Wildenstein samt der Ringmauer im
ersten Viertel des 13. Jahrhunderts gebaut wurde. Diese etwas weit hergeholte
Vermutung läßt sich noch durch einen weiteren Hinweis untermauern.
Die nördliche Ringmauer ist in schönem, regelmäßigem
Schichtbruchsteinmauerwerk sorgfältig aufgemauert, die einzelnen
Schichten sind 40 bis 60 cm hoch, und zwar genau in derselben Art, wie
es bei dem noch romanisch datierbaren Wohnturm der Burgruine Ruttenstein
bei Pierbach im Mühlviertel vorkommt. Obwohl die Gesteinsart in
beiden Fällen eine grundverschiedene ist, entsteht für das
menschliche Auge der gleiche Eindruck. Da
nach liegt für die Hochburg von Wildenstein auch die ausklingende
romanische Stilepoche in verlockender Reichweite. Vielleicht kann die
Geschichte diese Rivalität schlichten.
Vom Berchfrit ist noch zu erwähnen, daß er wahrscheinlich
vier Geschosse besaß, die untereinander durch Balkendecken getrennt
waren. Der Höhenunterschied zwischen Burghofniveau und Turmoberkante
beträgt zur Zeit der Vermessung rund 22 Meter.
Der Palas und das Wohngebäude stand an der östlichen Ringmauer
mit einer Grundfläche von rund 140 mz. Zur Zeit, als die Niederburg
gebaut wurde, dürfte sich der eigentliche Eingang zur Hochburg
ungefähr fünf bis sieben Meter vor der östlichen Hausfront
befunden haben. Die Türöffnung, die heute in den Palas führt
und von der das gotische Türgewand aus einem sehr feinkörnigen
Konglomerat noch erhalten ist, wurde später eingebaut. Schließlich
ist als dritte Türöffnung noch der Zugang zum Burghof leicht
zu erkennen, das Türgewand wurde mit Gewalt ausgebrochen und verschleppt.
Siehe Plan 1:100 im Bildteil.
Der älteste Teil des Palas ist der Südflügel, der schmälere
und lange Teil des Wohnhauses mag erst später entstanden sein.
Auch an die nördliche Ringmauer lehnen sich im oberen Burghof Bauten
an, dem Ausmaß erst nach der Entfernung des Schuttes sichtbar
werden wird.
Die Niederburg
Die Niederburg wird vermutlich im 15. Jahrhundert gebaut worden sein.
Der Torgraben wurde aus dem Fels gehauen, und die dabei gewonnenen Bruchsteine
wurden selbstverständlich beim Aufbau verwendet. Der an der Südmauer
gelegene Halbrundturm wurde sicher im 16. Jahrhundert verstärkt,
denn an seiner Außenseite befindet sich eine zehn bis sechzig
cm dicke Mauerschale, die mit dem Erstmauerwerk nicht im Verband liegt.
Siehe Plan 1:100.
An der südlichen Ringmauer der Hochburg wurde ein turmartiger Bau
angebaut, von dem die Ostseite nicht mehr vorhanden ist. In der Süd-Ost-Ecke
der Niederburg sind Mauerreste vorhanden, die sich mit einiger Sicherheit
zu einem in sich geschlossenen Bau ergänzen ließen.
Im Süden der Niederburg konnten noch die Mauerreste eines schmalen
und langgestreckten Baues festgestellt werden, in dem vielleicht ein
Stall untergebracht war. Durch eine vorsichtige Grabung wird sich vielleicht
dieses Gebäude in der Richtung zum Tor hin noch weiter ergänzen
lassen.
Das Burgmauerwerk besteht aus Kalkbruchstein, der im frischen Bruch
eine leichte rosa Färbung besitzt. In der mittleren und späten
Gotik wurde zu den überwölbten Teilen der Tür- und Fensterlaibung
und auch zur Herstellung von Mauerecken Tuffstein verwendet. Für
die Tor-, Tür- und Fenstergewände und auch für Maurecken
wurde auf der Wildenstein der feinkörnige Konglomeratstein verarbeitet.
Hrsg. Franz Stüger, Bad Ischl Ein Heimatbuch, Bad
Ischl, 1966, Seite 388-393
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by IHV - Auszug aus 'Mitteilungen' Folge 23 / 1997