Zur Geschichte von Wildenstein
Maria Zierler
Wildenstein war die einzige Burg im inneren Salzkammergut. Die Burg
wird urkundlich zum erstenmal 1392 erwähnt, doch liegt ihre Entstehungszeit
sicher weiter zurück. Die Behauptung der Chronisten, daß
der Turm noch in die Römerzeit zurückreiche, findet vom Fachmann
aus aber keine Bestätigung. Der gotische Torbogen und gotische
Türsimse, die bei den Grabungen des Ischler Heimatvereins im Jahre
1960/61 freigelegt worden sind, lassen auf das 11. bis 12. Jahrhundert
schließen.
Seit 1419 ist Wildenstein der Sitz der kaiserlichen Pfleger. Sie geboten
über das Ischlland, das etwa dem heutigen Gerichtsbezirk Bad Ischl
entsprach. Die Bezeichnung "Ischlland" finden wir schon zur
Zeit Ottokars 11. im Jahre 1262. Erst zur Zeit Maximilians 1., also
am Beginn der Neuzeit, finden wir für den Raum zwischen Hallstatt
und Gmunden die Bezeichnung "Salzkammergut".
Stich v. G.M. Vischer, 1674
Die Burg Wildenstein war aber nicht nur der Sitz des Landgerichtes im
Ischlland, sie war auch ein Schutz des "kostbaren Kleinods der
kaiserlichen Salzwurzen" gegen feindliche Überfälle.
Einer Wiederholung des "Salzkrieges", wie er gegen Ende des
13. Jahrhunderts zwischen Albrecht I. und Erzbischof Konrad IV. von
Salzburg im Ischlland ausgetragen worden war, sollte für alle Zukunft
vorgebeugt werden.
Ein Blick von der heutigen Ruine ins Tal zeigt, daß die Lage der
Burg nicht besser hätte gewählt werden können. Der steile
Felsvorsprung der Katrin gestattet ein Überblick über das
Trauntal und über die Straße, die Lauffen mit Ischl verbindet.
An der Westseite der Burg führte der uralte Eisenund Handelsweg
vom Pötschen her durchs "Wildensteinholz" ins Salzburgische.
Seit der Freilegung römischer Fundamente in St. Agatha und römischen
Münzfunden in der Nähe von Wildenstein bezeichnet man seit
dem Ende des 19. Jahrhunderts diesen Weg als "Römerstraße".
Urkundlich ist diese Bezeichnung nicht belegt.
Als Wehrbau hatte die Burg Türme, Wehrgänge, Ringmauern und
Schießscharten, einen künstlich angelegten Graben, Tor und
Zugbrücke. Der Pfleger Johann Lidl beschreibt die Burg im Jahre
1700 wie folgt: Sie steigt in drei Gaden (Stockwerken) auf, im dritten
Gaden, gegen die Katrin zu, liegt die Burgkapelle. Lidl spricht auch
von einer seitwärts erbauten Kuchl zur Zeit der Spindlerischen
Pfandherrschaft (1658 bis 1669). Dort sei eine "Wirtschaft"
gehalten worden, nämlich eine Weinschenke. In den Abhandlungsprotokollen
dieser Zeit wird ein Tafernwirt Gerold genannt. Mauerreste dieser "Kuchl"
konnten kürzlich freigelegt werden. Wir finden diesen kleinen Bau
auch auf dem Stich von G. V. Vischer aus dem Jahr 1674.
Titelseite der Oper 'Hans v. Wildenstein', 1900 in Salzburg
So günstig die Lage der Burg vom wehrtechnischen Standpunkt war,
so unfreundlich war sie für die Burgbewohner. Nur die Sommermonate
brachten ein wenig Wärme in die dicken Steinmauern, für das
übrige Jahr versperrte der Schatten der Katrin der Sonne den Weg.
Die Winter waren in dieser einsamen Höhe noch härter als im
Tal. Kein Wunder also, wenn schon Ende des 16. Jahrhunderts und noch
mehr im 17. Jahrhundert die Pfleger, die ihre Häuser in Goisern
(Achaz v. Seeau), Lauffen (Jakob Reimer) und in Ischl (Johann Lidl)
hatten, sich lieber dort aufhielten als in der Burg. Wiederholt beklagten
sich die Pfleger über die schlechten Wohnverhältnisse und
baten um Abhilfe.
Während einer längeren Abwesenheit des Pflegers Andrä
Schmiedauer brach am 28. August 1593 in der Burg ein verheerender Brand
aus. Ihm fielen die hölzernen Wehrgänge, die Turmbekrönung,
die Kammer oberhalb der Backstube, die Getreidekästen und Ställe
zum Opfer. Ebenso verbrannten die Fußböden, das Mauerwerk
des Bergfrieds zerbarst und wurde durch Stürme niedergeworfen.
Verschont blieb ein Teil des Palas (Wohngebäude). Wie Urkunden
im Wiener Hofkammerarchiv melden, brauchte man zum Wiederaufbau nach
dieser Brandkatastrophe 300 große und kleine Baumstämme,
300 dicke Bodenläden, 100 Tafelläden, 200 Verschlagläden,
Tausende von Schindeln, 60.000 Schindelnägel und 8000 Ziegel. Die
Gesamtkosten des Wiederaufbaues wurden mit 583 Gulden veranschlagt.
Die Höhe dieser Summe wertet man erst richtig, wenn man bedenkt,
daß der Schätzwert einer mittleren Kuh zu jener Zeit acht
bis zehn Gulden betrug.
Es herrscht vielfach die irrige Ansicht, daß die Untertanen der
Herrschaft Wildenstein den Wiederaufbau der Burg im Robotdienst durchführen
mußten. Das war nicht der Fall. Der Robot war gering und beschränkte
sich auf Fuhr- und Handdienste bei der Ernte und das nur für die
Bewohner des Pfarrgebietes von Ischl. Die Einwohner der übrigen
Orte, die der Herrschaft Wildenstein unterstanden, hatten überhaupt
keinen Robot zu leisten.
Wie Chroniken berichten, brannte Wildenstein im Jahre 1715 zum zweiten
Male ab. Seither ist die Burg dem Verfall preisgegeben. Der Pfleger
Johann Lidl verlegte im Jahre 1717 die Pflegschaftskanzlei nach Reiterndorf.
Dort hatte seine zweite Gemahlin Anna Polixena das Landgut (Reiterndorf
Nr. 1, heute Haushaltungsschule) gekauft. Auf dem dazugehörigen
Grund ließ Lidl ein Kanzleigebäude mit Wohnung für den
Gerichtsschreiber erbauen. Kurz nach seinem Tod verkaufte die Witwe
den ganzen Besitz, und die folgenden Pfleger verlegten die Pflegschaftskanzlei
nach dem Markt Ischl (Auböckplatz 1). Seit 1770 amtierten sie auf
"Neu-Wildenstein" in Bad Goisern (heute Forstamt).
Die Mauern der verlassenen Burg zerbrachen indessen und lieferten gelegentlich
Bausteine für die Ischler. Strauchwerk und Efeu begannen zu wuchern,
und bald zog der Wald in beide Burghöfe ein. Auch die Sage bemächtigte
sich der Ruine. Sie weiß von Raubrittern zu erzählen, von
vernichtendem Brand, vom Burgfräulein, das auf Erlösung wartet.
Nur ein beherzter Jüngling kann es erlösen, wenn es als neunköpfiger
Drache im Geheul der Wilden Jagd erscheint. In der Sonnwend- und Christnacht
tun sich die unterirdischen Verliese auf, und man kann dann die dort
verwahrten Schätze heben. Mancher hat es schon versucht, doch noch
keinem ist es geglückt!
Wir Späten aber, die wir zur Ruine hinaufsteigen, sollten daran
denken, wieviel Sorge und Not einst die Bewohner des Ischllandes auf
diesem Weg emporgetragen haben.
Copyright
by IHV - Auszug aus 'Mitteilungen' Folge 23 / 1997