Kino ist ein "Fenster zur Welt" (so ließe sich paraphrasieren, was die Kino-Ontologie und Neorealismus-Ästhetik von André Bazin zu denken gegeben hat): zu einer Welt, die mit Wünschen aufgeladen ist und die sich dem bildförmigen Zugriff auf sie ebenso aus- wie entgegensetzt. (Vielmehr: Die Entgegensetzung des Ausgesetzten macht das Bild als Fenster zur Welt aus.) Viele Aufnahmen in LDC verdanken sich einem paradigmatischen Fenstergucker: Zu Beginn, gleich nach der Sequenz mit der "Licht- und Stimmprobe" (–> Expert_innen) schauen wir aus einem Fenster, um an einem Fenster des Wohnhauses gegenüber einen Buben zu sehen, der ebenfalls aus dem Fenster schaut; mit ihm schauen wir auf die Straße und die tendenziell insignifikanten Menschen auf ihr. Letzteres ist ein in LDC immer wiederkehrender Blick in die Welt da draußen und unten, und mit dem Fenstergucker-Buben vergeht die Zeit oder auch jegliche Zeit, wenn es schneit (oder was immer da vom Himmel fällt, während der Bub gegen Filmende wieder aus seinem Fenster schaut), und irgendwann ist das Fenster zur Welt das Panoramafenster eines gigantischen Aquariums. Eine über drei Minuten lange Einstellung lang positioniert LDC uns vor dessen Breitwand-Sichtscheibe, hinter der alle Fische dieser Welt, große und kleine, exemplarisch versammelt sind, vor einem Publikum von –> Gaffern wie uns am unteren Bildrand. Die Lebewesen sind archiviert, klassifiziert, ausgestellt und ziehen doch ihre Kreise. Tun sie das in ahnungsloser Gleichgültigkeit? In majestätischer Gelassenheit? In der Gleichmut von Toten, die zu ihrem Glück nicht mehr sterben können (wie es Lemmy Caution dem Computer in Alphaville sagt)? Der fundamentale Wunsch, den Film bedient, sagt Bazin, ist der Wunsch nach einer Art Mumifizierung, nach Überdauerung des Todes in Form eines Bildes, das bleibt. Das LDC-Kapitel Die lebenden Toten, das von solchen Überlebensfragen handelt, wird durch die Fenstergucker vor dem Aquarium eingeleitet. Wenn man dessen Fenster anklickt, führte eine Blickachse wohl zu den Aquariumsarchitekturen der in Stummheit vereinten Menschen und signalhaft individuierten Dinge in Tatis Playtime. Eine andere führt zu einer in ihrer Politik und Geschichte geteilten Menschheit, zu jenen, die zuschauen, wie von manchen nur Abfall bleibt, wenn die Sonne sich verdunkelt; in ungefähr diese Richtung – das nationalsozialistische Wien begafft die Deportation seiner jüdischen Bürger_innen – hat Kurt Kren einmal seinen Film 5/62 Fenstergucker, Abfall etc. zu verstehen gegeben. (Und von dorther ist der veritable Regen von aus dem Haus auf die Straße geworfenen Möbeln zu Filmbeginn, einer der vielen –> drohenden Regen in den | |||
© Drehli Robnik, 2012 | |||
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