Das Y im Namen macht die schlichte Polizei zu mehr als sie selbst, nämlich zur Polizey – bis ins 19. Jahrhundert hinein der Name einer umfassenden Beobachtung und Verwaltung des Wohlstands und Funktionierens europäischer Gesellschaften. Um das Mehr an Polizei (eben Polizey) geht es in LDC. Damit ist nun aber nicht etwas gemeint, das schnell einmal unter Slogans wie "Polizeistaat" beschworen wird (Staatszentralmacht, die alles verbietet), sondern: Dieser Schatz im Herzen der Polizei, der aus ihr mehr macht als sie ist (mehr als bloß eine von drei Gewalten), quasi das Reale der Polizei als ihr obszöner Kern und Machtvorrat, das ist hier zum ersten wohl das –> Drohen einer physischen Gewalt, die in geregelten sozialen Alltagsabläufen impliziert und verdeckt ist (mit Benjamin: die mythische Gewalt der Polizei als Skandalon in Demokratien und Erinnerung an das Göttlich-Gewalttätige ihrer eigenen Rechtssetzung – Hubschrauber und ABC-Schutztruppen in LDC als groteske Mutationen von Engeln). Doch zugleich – und zweitens, nun ganz unmessianisch – meint die erweyterte Polizey heute (noch mehr als im vorindustriellen Europa) solche Wissens-, Führungs- und Kulturtechniken, die bewirken dass alles gut läuft, anständig und wohlständig, im geforderten Ausmaß an Vitalität, Kreativität oder Selbstgenuss – von sozialer Gesundheitsvorsorge übers flexible Management bis zur Selbstentzifferung qua Wellness (–> Joggen). Drittens zeichnet sich damit das Bild einer Gesellschaft ab, deren Politik sich ganz aufs optimierende Verwalten von Energien des Produzierens und Konsumierens reduziert, in der also Politik als kollektive Konfliktaustragung oder organisierte Störung der Kapitalkreisläufe annulliert ist – wofür der (Post-)Demokratie-Denker Jacques Rancière sein Theorem der Polizei im weiten Sinn der machtförmigen Verunmöglichung von Politik gegenwartsdiagnostisch in Anschlag bringt. Viertens schließlich wird, in einer etwas anderen, mehr auf Techniken des Regierens zielenden Denkrichtung, ganz konkret im ersten Kapitel von LDC (Gesellschaft der Schläfer) Polizei als Agentur der "Neuen Kriege" theoretisiert, in der das Militär Polizeiaufgaben übernimmt (ob in Rom gegen Roma oder an der burgenländischen Ostgrenze gegen alles Unösterreichische) und die Polizei Kriege mit lang andauernden Feldzügen (Soko dieses, Operation jenes...) gegen soziale Feindgruppen führt; von Umstellung auf "Feindstrafrecht" ist dabei die Rede, vor dem Leute nicht als Bürger_innen erscheinen, auch nicht als sozialtherapeutisch zu Reformierende, sondern als Inkarnationen dunkler Bedrohung des sozialen Wohlbefindens schlechthin. Im Bild verläuft dazu ein langer, etwas rätselhaft anmutender Polizei- und Feuerwehreinsatz in einer Wiener Wohnstraße. – Wenn wir die "Remilitarisierung der Gesellschaft als Reaktion auf eine Herrschaftskrise" bedenken, von der LDC auch spricht, und uns an Medien- und Spielfilm-Szenarien des Kalten Krieges erinnern, dann ließe sich Palms Filmtitel auch anders abkürzen, nämlich als Low Def Con, und er würde sich dann implizit auf die Stufenskala der "Verteidigungsbereitschaft", defense [readiness] condition, der US-Streitkräfte beziehen: von Def Con 5 (Frieden) bis Def Con 1 (Krieg bis hin zu –> ABC-Waffeneinsatz). Derzeit befindet sich die soziale Polizey offenbar noch auf einem niedrigen Level – Low Def[inition] Con[trol].

© Drehli Robnik, 2012