Parathormon (PTH)
Syn. Parathyrin
In den Nebenschilddrüsen (Epithelkörperchen) gebildetes Hormon (Protein aus 84 Aminosäuren, MG 9500), das in Abhängigkeit von d. Höhe der ionisierten Serumcalciumkonzentration ausgeschüttet
wird. Erniedrigte Calciumspiegel steigern, erhöhte senken die Produktion u. Freisetzung von
Parathormon.
Wichtigste Angriffspunkte u. Stoffwechselwirkungen:
Von den 84 AS sind nur die ersten 34 für die biologische Aktivität
ausschlaggebend. Eine Abspaltung der ersten beiden AS am N-terminalen Ende
bringt fast vollständigen Verlust der Aktivität, ohne jedoch die
Rezeptorbindung zu beeinträchtigen.
Bindung an den Rezeptor (G-Protein-gekoppelt?) führt zur Aktivierung der
Adenylatzyklase ==>
- Im Nierentubulus (v.a. spät proximal und Henle-Schleife)
werden dadurch luminale Ca++-Kanäle geöffnet (Einstrom
von Ca++) und der luminale Ca-Phosphat-Kotransporter gehemmt
==> Hemmung der Phosphatresorption, Erhöhung der Calciumresorption
- Im Knochen Hemmung der Osteoblasten und Stimulierung der Osteoklasten
(Verschmelzung von Monozyten zu Osteoklasten) ==> Steigerung des Knochenabbaus u. damit Freisetzung v.
Calcium
- begünstigt die Umwandlung von 25-Hydroxycholecalciferol zu 1,25-Hydroxycholecalciferol in der Niere u. damit die Calciumresorption aus dem
Darm
Folge:
Parathormon steigert die Calciumkonzentration im Blut und senkt die Phosphatkonzentration im Blut
(Phosphaturie), bewirkt Aktivitätszunahme der alkal. Serumphosphatase.
Calcitonin wirkt bei der Regulation des Calciumhaushalts antagonistisch.
Überfunktion der Nebenschilddrüsen mit vermehrter Bildung v. Parathormon
primärer Hyperparathyreoidismus (pHPT):
Vorkommen meist bei Parathyreoideaadenom, evtl. auch bei Hyperplasie ("Vier-Drüsen-Hyperplasie"), Karzinom der Nebenschilddrüsen od. sporadisch bzw. familiär
im·Rahmen einer multiplen endokrinen Adenomatose.
Klinik:
- "Stein-Bein-Magenpein"
- ossäre Manifestation als Osteodystrophia fibrosa generalisata
Recklinghausen (durch vermehrte Ca++-Freisetzung aus dem Knochen)
- renale Manifestation mit Nephrolithiasis, Nephrokalzinose
- gastrointestinale Manifestation mit rezidiv. Ulcera ventriculi u. Ulcera duodeni, Neigung zu
Pankreatitiden
- Kalkablagerungen in versch. Organen (Lunge, Magen, Konjunktiven, Cornea);
- Hyperurikämie mit Gichtanfällen
- Hyperkalzämiesyndrom (heute nur noch in20-30% der Fälle)
- Hyperkalzämie
- Hypophosphatämie
- rezidivierdende Nephrolithiasis
- herabgesetzter Knochenmineralgehalt (Erhöhte Osteoblastenaktivität)
- Müdigkeit, Depression, EKG-Veränderungen, Hypertonie, ev.
Pankreatitis
Diagnostik:
- Labor: Hyperkalzämie, Hyperkalzurie, Hypophosphatämie, Erhöhung von alkal. Phosphatase u.
Parathormon
- Osteodensitometrie, evtl.
Knochenbiopsie
- Evaluierung der Nierenfunktion
- Lokalisationsdiagnostik: Sonographie, CT, MRI (v.a. bei ektoper
Lokalisation)
- Szintigraphie mit Sestamibiscan: Nachweis in 80-90% erfolgreich
Therapie:
Bei allen symptomatischen pHPT muss eine chir. Adenomexstirpation od. subtotale
Parathyreoidektomie durchgeführt werde.
Bei asymptomatischen ("biochemischen") pHPT wird ebenfalls OP
emfohlen (Unsicherheit der Compliance für langfristige Kontrollen)
Bei OP müssen alle Lokalisation für Nebenschilddrüsen aufgesucht werde,
bis alle 4 Epithelkörperchen gefunden sind. Schließlich muss nach
zusätzlichen Nebenschilddrüsen gesucht werden (auch im vorderen Mediastinum,
Hypopharynx und paraösophageal)
Vorgangsweise:
- Darstellung aller Drüsen - Makroskopische Beurteilung
- Biopsie bei V.a. Hyperzellularität
- Exstirpation vergrößerter Drüsen
- Zweidrittel-Resektion eines Drüsenanteils bei Hyperplasie aller Drüsen,
wenn keine totale Entfernung mit Autotransplantation geplant ist.
Postop. Tetanieprophylaxe mit Calciumsalzen od. Vitamin
D
reaktive Hyperplasie aller vier Nebenschilddrüsen, verursacht durch
- Hypokalzämie aufgrund von
- Hyperphosphatämie (z.·B. bei Niereninsuffizienz) ==>
Abfall des freien ionisieren Ca++
Durch Niereninsuffizienz sinkt auch die PTH-Clearance
- Ca++-Malabsorption bei 1,25-OH-Vit.D.-Mangel
- Schwangerschaft, Laktation, senile
Involutionsosteoporose, kalkarmer Ernährung, Steatorrhoe
- neonatal durch mütterlichen Hyperparathyreoidismus
Symptome: Normo- od. Hypokalzämie
Die Kombination
- Hypokalzämie
- Hyperphosphatämie
- erhöhtes PTH
- chronische Niereninsuffizienz
wird als sekundärer Hyperparathyreoidismus (sHPT) bezeichnet
Therapie:
- Behandlung des Grundleidens (Calciumhomöostase, ev. NTX)
- OP-Indikationen:
- Fortgeschrittene Knochensymptome
- Pruritus
- Weichteilverkalkungen
- Serum-Ca/Phosphat-Quotient > 70
- OP:
- 3½-Drüsenresektion (subtotale Parathyreoidektomie) oder
- totale Parathyreoidektomie mit Autotransplantation von 20 x 1mm³ in
den M. brachioradialis. (Dies erleichtert eine Entfernung in LA für den
Fall einer Transplant-Hyperplasie)
- Intakte Drüsen können kryokonserviert als Gewebereseve verwendet
werden
tertiärer Hyperparathyreoidismus:
bei massiver irreversibler Hyperplasie der
Parathyreoideae auf dem Boden eines sekundären Hyperparathyreoidismus
hinsichtl. Symptomatik, Diagnostik u. Therapie mit dem primären
Hyperparathyreoidismus weitgehend identisch.
verminderte od. fehlende Produktion v. Parathormon
- meist nach versehentlicher operativer Entfernung od. Schädigung der Nebenschilddrüsen
bei einer Strumektomie (parathyreopriver Hypoparathyreoidismus) od. als Folge anderer Erkrankungen (Metastasen,
Entz.)
- sehr selten autoimmunologisch bedingt (ideopathischer
Hypoparathyreoidismus)
- Hypoplasie im Rahmen eines DiGeorg-Syndroms
- Ein passagerer Hypoparathyreoidismus kurz nach der Geburt ist physiologisch.
Klinik:
- Hypokalzämie (<2·mmol/l bzw. 8·mg/dl) mit
- Tetanie
- Hyperphosphatämie (>1,6·mmol/l bzw. 5·mg/dl)
- starke Hypokalzurie
- Hypophosphaturie
- als Spätsymptome
- troph. Störungen an Haaren, Haut u. Nägeln
- metastat. Verkalkungen in Lungen, Linse, basalen Hirnganglien (vgl.
Fahr-Krankheit)
Therapie:
Dauersubstitution mit Vitamin D3 od. Calcitriol, individuelle Einstellung des Serumcalciums im unteren Referenzbereich.
Pseudohypoparathyreoidismus: Parathormonresistenz in Niere u. Skelett mit renaler Phosphatausscheidungsstörung u. charakterist. Veränderungen des Körperbaus
infolge einer Störung des Parathormonrezeptors od. einer verminderten Aktivität des nukleotidbindenden Proteins u.
cAMP-Synthese