Granulozyten
Granulozyten und Monozyten / Makrophagen gehören zur myeloischen
Reihe, deren gemeinsame Stammzelle der Myeloblast ist.
Die Granulozyten haben einen Anteil von 40 - 70% am weißen Blutbild.
Pro Minute entstehen im Knochenmark etwa 8 Mio. Granulozyten.
Entwicklung (Granulopoese):
Proliferationspool:
Myeloblast --> Promyelozyt 1 --> Promyelozyt 2 -->Myelozyt (letzte
teilungsfähige Stufe der Granulopoese) -->
Reifungspool:
Metamyelozyt --> stabkerniger Granulozyte --> segmentkerniger
Granulozyt -->
Speicherpool:
- zentraler Speicher = Knochenmark
- peripherer Speicher = Venen und großkalibrige Venolen (geringe
Strömungsgeschwindigkeit, dort werden v.a. neutrophile Grz. wandständig)
Bei Beschleunigung der Strömung (Stress führt zur Kontraktion der
Gefäße, körperliche Anstrengung etc. ) werden Granulozyten aus dem
Speicherpool ausgeschwemmt ==> Verteilungsleukozytose.
Im Zuge einer vermehrten Granulopoese (Entzündung: IL-1, IL-3, GM-CSF,
G-CSF) treten vermehrt unreife Zellen (bis zu Zellen aus dem
Proliferationspool) im peripheren Blut auf ==>
"Linksverschiebung"
Nach den Färbeeigenschaften (v.a. abhängig vom Inhalt der Granula) werden
die polymorphkernigen Granulozyten unterteilt:
- Neutrophile (40-70%)
- Eosinophile (1-5%)
- Basophile (0-1%)
- Lebensdauer 2-3 Tage
- Durchmesser 12-15 µm
- Segmentierter Zellkern (2-5 Segmente), keine Nukleoli (=keine Synthese
neuer Ribosomen)
- keine DNS-Synthese, kaum DNS-Reparatur
==> keine Teilung mehr möglich (Endstufe)
- das endoplasmatische Retikulum ist beim reifen Neutrophilen nur mehr
spärlich vorhanden ==> eingeschränkte Proteinsynthese
- Energiebereitstellung hauptsächlich durch Glykolyse, Zytoplasma enthält
große Mengen Glykogen.
Bei Phagozytose allerdings auch durch Pentosephosphatzyklus.
Größere Mengen NADPH werden bei der Bildung von O2-Metaboliten
benötigt.
Granulozyten sind aktiv beweglich (gerichtete Bewegung), dafür besitzen sie
ein netzförmiges Zytoskelett sowie ein Netzwerk von Aktin-bindenden Proteinen,
die gemeinsam mit ATP, Mg++, Ca++ und dem Protein Gelsolin
für den Zustand des Zytoplasmas (gel- oder solförmig) verantwortlich sind.
Granula:
- Primäre (azuophile) Granula (bereits in den Zellen des Reifungspools)
- Kationische Proteine (Wirkungsoptimum im alkalischen Bereich)
==> v.a. gegen gram-neg. Bakterien (Desintegration des
outer-lipid-bilayer)
- Saure Hydrolasen (Wirkungsoptimum im sauren Bereich):
saure Phosphatase (Markerenzym für primäre Granula), Esterasen,
Glykosidasen, Lipasen
- Neutrale Esterasen:
Elastase, Kathepsin G u.a.
Elastase hat mengenmäßig einen großen Anteil am Granulainhalt
und wirkt als Serin-Esterase und greift damit in die Plasmaenzymkaskaden
(Gerinnungssystem, Komplementsystem) ein.
- Mikrobizide Substanzen:
Lysozym, Enzyme des oxydative burst (NADPH-Oxidase und Myeloperoxidase)
- Sekundäre, spezifische Granula
Machen etwa 70% der Granula des reifen neutrophilen Granulozyten aus. Sie
entstehen in der Reifung später als die primären Granula in einer Phase,
in der die Proteinsynthese bereits vermindert ist.
- Lactoferrin (eisenbindend, Markerenzym für sekundäre Granula)
- Vit. B12-bindendes Protein
- kationische Proteine
- Kollagenase
- Lysozym
Durch Lactoferrin und Vit.B12-bindendes Protein werden Eisen
und Cobalamin, die beide für das Bakterienwachstum wichtig sind, gebunden
und damit den Bakterien entzogen.
Zellmembran
Ruhende Neutrophile erneuern ca. 10% der Zellmembran pro Stunde,
phagozytierende Neutrophile bis zu 30 % / Stunde. Eine Einschränkung der
Membranerneuerung resultiert aus der reduzierten Proteinsynthese, daher
angenommen, dass v.a. die Rezeptoren der Membran recycled werden.
Rezeptoren:
- Fcg-Rezeptoren
I, II, III für IgG
- Komplementrezeptoren CR1, CR3, CR4,
Rezeptoren für Faktor H
- Rezeptoren für Anaphylatoxine C3a und
C5a
- Rezeptoren für chemotaktische Peptide (z.B. fMet-Leu-Phe)
- Rezeptoren für Prostaglandine und Leukotriene
Aufgaben
Erste zelluläre Abwehrreihe mittels Wanderung entlang eines
Konzentrationsgradienten von Chemokinen (C5a, LT-B4,...), die am
Entzündungsort freigesetzt werden.
Hauptaufgabe: Bekämpfung von Eitererregern (pyogene Bakterien)
- Staphylokokken (S. aureus, S. epidermidis, S saprophyticus, ...)
- Streptokokken (S. pyogenes, S. pneumoniae = Pneumokokken, ...)
- Neisserien (N. gonorrhoeae = Gonokokken, N. meningitidis = Meningokokken)
- Enterobakterien (Salmonellen, Shigellen, Klebsiellen, E. coli)
Pathologie der Neutrophilen
- Granulozytopenie
(Verminderung der Leukozytenzahl z.B. bei Leukämie) bis Agranulozytose
- Lazy-Leucocyte-Syndrom
- Chédiak-Higashi-Syndrom
- verminderte O2-Radikalbildung
"Eosinophil" aufgrund der Färbeeigenschaften (Paul Ehrlich, 1879)
Große Ähnlichkeit zum neutrophilen Granulozyten:
- nur mehr minimale Proteinsynthese (Endzellen)
- etwa 20 Granula mit Durchmesser 0,5 - 1,0 µm
- Lebensdauer etwa 2-3 Tage in der Peripherie (Ausscheidung über
Schleimhaut des Darm- bzw. Respirationstraktes, Phagozytose durch
Makrophagen)
Rezeptorausstattung:
Damit fähig zur Adhärenz an IgG- , IgE- oder Komplement-beladenen Zellen
und Organismen ==> Fähigkeit zur Phagozytose und ADCC. Ihre bakterizide
Potenz ist allerdings schlechter als bei Neutrophilen.
Bei Wurmerkrankungen ist der Eosinophile die wichtigste Effektorzellen
(wichtiger als Neutrophile).
Ebenso spielt der Eosinophile eine wichtige Rolle bei der chronischen
Entzündung im Rahmen von Typ-I-Allergien (z. B. chronisches Asthma
bronchiale)
Aktivierung:
- Eosinophilic Chemotactic Factor (ECF) aus Mastzellen
- p-ECF aus Parasiten
- Eosinophil Stimulation Promotor (ESP) aus TH-Zellen, die durch
Parasiten-Antigen stimuliert wurden
bewirken
- Verstärkung des respiratory burst
- Vermehrte Expression von Fc- und Komplement-Rezeptoren
(gespeichert in intrazytoplasmatischen Vesikeln)
Granula:
- Kationische Proteine (Wirkungsoptimum im alkalischen Bereich)
- Major Basic Protein (MBP, 50% des Granulainhalts)
- tötet Helminthen-Larven
- dient als Ligand zur Adhärenz an den Parasiten
- wirkt degranulierend auf Mastzellen
und Basophile
- beim Asthma
bronchiale findet man große Mengen in und um die Bronchien und
Bronchiolen ==> unterhält die chronische Entzündung
- Eosinophilic Cathionic Protein (ECP)
- tötet Helminthen-Larven (stärker als MBP)
- spielt eine Rolle beim chronischen Asthma bronchiale
- Esterasen:
- Histaminase
- Dipeptidase
- Phospholipase B
inaktivieren die Mediatoren (Histamin, SRS-A, PAF), die im Zuge der Mastzelldegranulation
freigesetzt wurden (Regulatorfunktion!)
- Mikrobizide Substanzen:
- Eosinophilen Peroxidase (wird im Phagosom oder an der Oberfläche des
Parasiten aktiv)
- Charcot-Leyden-Kristall-Protein (kristallisiert zu
Charcot-Leyden-Kristallen)
biologische Aufgabe als Lysophospholiase, d.h. Abbau von toxischen
Lyso-Phospholipiden, von denen bereits eine Fettsäure abgespalten ist.
- Eosinophilen Neurotoxin
zerstört im Tierversuch myelinisierte Neuronen, möglicher Zusammenhang
mit der Bluteosinophilie (sogar > 50% Eosinophile) bei
Parasitenerkrankungen
Obwohl ein grundlegender Abstammungsunterschied zwischen basophilen
Granulozyten (myeloische Reihe) und Mastzellen (eigene Stammzellreihe) besteht,
werden aufgrund großer Ähnlichkeiten diese beiden Zellarten gemeinsam
besprochen.