Wie Wahrnehmung zur –> Kontrolle wird, diese Wendung zeigt LDC in verschiedenen Facetten und Ausformungen. Eine dankbare Chiffre, diese zu bündeln, ist die Projektion: Dieses "Werfen" von Bildern eignet dem Kino generell – und wird in der ersten bei vollem Tageslicht gedrehten Einstellung von LDC anhand eines undeutlichen menschlichen Schattens, der sich auf der gegenüberliegenden Hausfassade abzeichnet (–> Fenstergucker), selbst Bildgegenstand. Zu und unmittelbar nach diesem Schattenwurfbild äußert ein –> Experte Ratlosigkeit ("What the hell is this?"), ein anderer spricht über "die Menschen, die ich sehe" und von denen ich im Zeichen kategorischer Sicherheitsimperative das Schlimmste zu vermuten geneigt sein muss (–> Ich denke). Hier kommt die Projektion im Sinn der Paranoia, des (wörtlich) "Neben-Denkens", des zwanghaften Hineinlesens in Wahrnehmungen, ins Spiel. LDC beharrt auf der Einsicht "Kontrolle, das sind wir alle" (nicht ein obrigkeitsstaatliches Abstraktum) und inszeniert Abläufe oder Bild-Ton-Beziehungen so, dass wir angehalten sind, paranoides, verdachtshermeneutisches Wahrnehmen selbst immer auch auszuagieren – und unser besorgtes Wissen-Wollen als projiziertes Bild zu konfrontieren (anstatt es in einen Big Brother zu projizieren). Schon die Art, wie die Montage in der Voice-over argumentative Konsequenzlogik und andere Sinnbeziehungen zwischen Worten und Sätzen im Detail herstellt (und dieses Herstellen ein Stück weit ausstellt) oder im ganzen Film Motive zeitversetzt wieder auftauchen lässt, sodass sich ein Effekt von "Aha! Erwischt!" bei uns einstellt, das gibt LDC die paranoide Textur eines audiovisuellen Bildes, das selbst konspirative Organisation ist. (Wir könnten zum Vergleich an die Sound-Montagen in Fritz Langs Testament des Dr. Mabuse von 1932 denken.) Generell ist, wie in einem –> Mindgame Film, unser Zuschauen hier prekär, immer auch verstrickt in Phobien, Ideologien, Zuschreibungen und in die Notwendigkeit, diese zu reflektieren. (Auch "Reflexion" spielt in LDC eine Doppelrolle, etwa in der Aufnahme des Mannes, der in einem offenen Treppenhaus telefoniert, immer wieder hinter eine Wand geht, dadurch womöglich auch uns verdächtig wird – Warum macht er das? Hat er etwas zu verbergen? – aber jedesmal, wenn er im visuellen Off ist, in einer Glasscheibe am Bildrand gegenüber sichtbar wird.) Projektion heißt hier also auch "Entwerfen" von unterstellten Bedeutungen, und einer solchen paranoiden Lektüre leisten punktuelle Nahbeziehungen zwischen dem, was zu sehen ist, und dem, was gesagt wird, immer wieder gerade soviel Vorschub, dass das Bild suspekt bleibt. Projektion als Entwerfen, das hat in LDC schließlich, ganz in der Nähe der Paranoia und unter dem Kapiteltitel Futur Perfekt, den Sinn einer Prognose – Projektion nicht als abhebendes Vorausfantasieren in ungeahnte –> Zukunft, sondern als eine Zeitform der –> Kontrollmacht, systemintegrierte Rückwirkung eines antizipierten Rückblicks auf die Gegenwart, in der alles, was passiert, irgendwann einmal prüfend beobachtet und beurteilt werden könnte. Deshalb empfiehlt sich gesteigerte Wachsamkeit gegenüber dem je eigenen Wald- oder Lebenslauf und deren potenziellen Auffälligkeiten.

© Drehli Robnik, 2012